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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ge m acht, junge Schauspielerinnen m it m ächtigen Fil m bossen und Regisseuren, aufstrebende Journalisten m it Zeitungsbossen, wie den Brüdern Ullstein, und unentdeckte Autor e n m it Verlegern und
    Theater d ramaturgen z u sam m enzub r ingen. Zu diesem Zweck veranstaltete sie in r e gel m äßigen Abständen Partys in ihrem Salon, eigentlich nur zwei ineinander übergehende Z i m m er, in denen an m anchen Tagen achtzig bis hundert Menschen Platz finden m ussten. Dann herrschte hier ein unvorstellbares Gedränge, und Gespräche f ührte m an m it fünf Leuten g l eic h zeitig – auch m it denen, auf deren Auf m erks a m keit m an gar keinen Wert legte. Die Luft war zum Schneiden, Rauch hing wie Nebel in der Luft, m an c h m al war es un m öglich, von einer Seite des Salons zur anderen zu blicken, so dicht war der Qualm von Zigarren und Zigar e tten. Das einzig Besondere am Büffet war die Tatsache, dass jeder – vom hoffnungsvollen Ko m parsen b i s hin zum Verlagschef – etwas m itbringen und auf einem großen Tisch in der Küche platzieren m usste.
    Betty Stern kugelte von einem G a st zum anderen, tat unge m ein wichtig und war zu jedem liebenswürdig und herzlich, ganz gleich, w a s sie über ihn oder sein Bankkonto wusste. Sie war w e der besonders klug noch besonders gebildet, aber sie verkörperte die perfekte Gastgeberin. In ihrem Salon wurden Ehen versprochen, Geschäfte abgeschlossen, Manuskripte verkauft und über die Zukunft von Spielplänen, Fil m projekten und ganzen Künstlerdy n astien ent s chi e den. Immer war die Stern m ittendrin, ver m ittelte, versöhnte – ganz die M utter ihrer Lieben.
    Chiara und Ursi waren früh e r schienen, fast eine Stunde früher als das Gros der G ä ste. Ursi h atte einen undefinierbaren Pudding m itge b racht, den sie als Mousse bezeich n ete, während C hiara auf die Schnelle in einem Restaurant Par m aschinken und Honig m elonen besorgt hatte. Sekt spendierte d i e Hausherrin – nie m als Ch a m pagner, der m usste selbst m itgebracht werden –, die  Cocktails, in die Ursi so vernarrt war, konnte m an sich aus Likören und Säften selbst z u sam m enstellen. Ursi übertrieb es wie üblich m it d e m Anteil des Alkohols, und Chiara fürchtete, w enn Ursi noch ein Glas trank – das dritte in einer Viertelstunde – würde sie bei der Ankunft wichtiger Leute bereits nackt auf den Tischen tanzen. W as sich nicht zwangsläufig negativ für sie aus w irken m usste, obwohl Betty Stern solche Auftritte nicht schätzte und, zu m i ndest zu so früher Stunde, unterband.
    Im Augenblick hielten sich vielleicht zwölf, fünfzehn Personen in den beiden Räu m en auf. Drei M än n er s t anden ein Stück weit entfernt und hö r ten zu, wie ein vierter über Pferdewetten referierte, wäh r end ein paar Frauen, die m eisten wohl Schauspielerinnen an diversen T heatern, ab und an neidische Blicke zu Chiara und Ursi herüberwar f en.
    Die beiden sprac h en leise, sodass nie m and m ithören konnte. Ursi rührte m it ihrem Papierbäu m chen in dem leeren Glas, während ihre Miene s i ch verdüsterte.
    »Hast du von den Totenwachen gehört ? «
    »Vor Torbens Haus ? « Sein Tod lag jetzt sieben Tage zurück, und die Presse kochte noch im m er über vor Spekulationen.
    »Es stand in der Zeitung.«
    »Arthur und ich sind hingefahren, gestern Abend. Es war ja so ergrei f end.« Ursi seu f zte wie ein Schul m ädchen, das von einer neuen E roberung schwär m t . »So viele Menschen, und so viele Kerzen … Du kannst dir nicht vorstellen, was da los ist.«
    »Hat dir die Trauerfeier nicht gereicht ? « Torben war vor zwei Tagen beerdigt worden, und der Andrang hatte es durchaus m it d e m Rum m el um Julas Bestattung aufneh m en können.
    Ursi zog eine Schnute. »Ach, du hast eben kein Herz. Wann passiert denn schon m al was, das einen wirklich berührt?«
    Chiara sah sie irritiert an und überlegte, ob Ursi eine ihrer Nummern abzog o der ob es ihr tat s ächlich ernst w a r. Trotz all des Rummels im F i l m geschäft, all der künstlichen Begeisterung für Nichtigkeiten, waren Frauen wie Ursi chronisch gelangwe i lt. »Torben ist er m ordet worden«, sagte Chiara m it Nachdruck. »Ehrlich gesagt, fand ich das berührend genug … Da m uss ich nicht wie ein kleines Mädchen zu seiner Haustür pilgern.«
    »Arthur und ich waren seine Freunde«, entgegnete Ursi trotzig.
    »Das wart ihr nicht. Torben konnte Arthur nicht ausstehen, das weißt du genau.«
    Ursis Augenbrauen z o gen

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