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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sich zusam m en, aber wie üblich war auch ihre W ut nur gespielt. Im Grunde hatte sie Recht: Es gab wenig, das s i e tatsäc h lich e rschüttern konnte. Ob aus Ignoranz oder N a ivität, darüber war Chiara sich noch im m er nicht im Klaren.
    Ursi ging zum Tisch m it den Flaschen hinüber, m i xte sich einen weiteren C ocktai l , dies m al so grün wie ein Grasfrosch, und als sie zu Chiara zurückka m , sagte sie:
    »Die Polizei hat noch i mm er keine Spur.«
    Chiara schüttelte den Kopf. »Heute Morgen stand m al wieder was von Raubmord in der Z eitung.«
    »Ich frag m i ch wirklich, warum du Zeitungen liest – die lügen doch sowieso alle.«
    »Der Meinung warst du noch nicht, als sie deinen Au f t ritt er w ähnt haben in … was war’s n oc h gleic h ? Sündiges Blu t ?«
    »Hyänen der Lust.«
    Die beiden sahen sich an und m u s sten grinsen. Ursis Karriere hatte in einer ganzen Reihe so genannter Sittenfil m e begonnen, deren Titel meist m ehr versprac h en, als die F ilme zu bieten hatten. Die Bordelle, vor denen s i e angeblich warnten, waren gep f legte Salons; Huren im m e r Schönheiten m it edlem Charakt e r; S chlepper und Zuhälter arbeiteten m it Versprechungen und nicht, wie tagtäglich auf den Straßen, m it roher Gewalt. Ursi war ungefähr ein halbes Dutzend Mal das keusche T öchterchen vom Land gewesen, das in den Fleisch m ühlen der Großstadt seine Unschuld und Sittsa m keit verlor. Tatsäc h lich w ar das gar nicht so weit von ihrer eig e nen Geschichte entfernt.
    Chiara nippte an ihrem Sekt, schaute auf die Standuhr neben dem Durchgang zum zweiten Z i m m er und hoffte, dass bald ein paar der wichtigeren P roduzenten erschienen. Nicht, da s s sie keine A ngebote hatte – zudem stand nach wie vor Maskens Vertrag im Raum, obgleich sie im m er überzeu g t er war, dass sie m it ihm nicht m ehr arbeiten würde –, aber sie zog es vor, die Gesichter hinter den Offerten kennen zu lernen. Deshalb war sie hier. Nicht wegen Ursi, und ganz sicher nicht wegen des Sekts oder der angeneh m en Gesellschaft. Es ging u m s Ge s chäft, wie bei fast allen E m pfäng e n, Par t ys und Pre m ierenfeiern in Berlin.
    »Um noch m al auf diese Sache zurückzukom m en.« Ursis Stim m e klang jetzt e i n wenig höher, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie zum Endspurt Richtung Volltrun k e n heit a n set z t e .
    »Du brauchst einen Mann!«, sagte sie so entschieden, als hätte sie d i e Order zu e i n em politisc h en U m sturz gegeben.
    »Ganz sicher nic h t«, sa g t e Chiara.
    »Brauchst du doch.«
    Chiaras Mundwinkel zuckten. »Et w a einen wie Arthur ? «
    » W arum nicht? Einen, der dich richtig rannim m t.«
    »H i m m el, Ursi, du redest w i e irgendein besoffener Kerl in einer Eckkneipe.«
    »Arthur kann nett sein, wirklich.«
    »Ja, sicher … so wie an d e m Abend, an dem er und Masken versucht haben …« mich i n s Bett zu k r iegen, hatte sie sagen w ollen, doch das verkniff sie sich im letzten Mo m ent.
    »Dich zu ficken!«, sagte Ursi vergnügt. »Prost!«
    Chiara schüttelte resigniert den Kopf und schaute sich zu den Frauen vom Theater u m . Eine hatte die Ohren gespitzt und stieß ihre Nachbarin m it dem Ellbogen an. Chiara beugte sich zu Ursi vor. » G eht ’ s vielleic h t ein bissc h en lei s e r ?«
    »Ist doch die W ahrheit.«
    »Arthur ist dein Freund – und so nett, nicht wahr?«
    »Arthur fickt alles, was ’ne Möse hat.«
    »Dann werden die da drüben de m n ä chst wahrscheinlich bei ihm Schlange stehen.«
    Ursi folgte ihrem Blick zu den Theaterschauspielerinnen, die sogleich anderweitig beschäftigt waren. » W ürde m i ch nicht wundern, wenn er die a u f seiner L i ste schon alle abgehakt hätte.« Ursi setzte ihr Glas so schwungvoll auf den Tisch, dass der Inhalt überschwappte.
    Warum bist du dann noch mit ihm zusammen?, l a g Chiara auf der Zunge, aber sie hatte keine Lust, schon wieder über Ursis Beziehungsproble m e zu reden. Um ihre Freundin abzulenken, fragte sie: »Was schlägst du also vor ? «
    Ursi starrte sie einen M o m ent lang konsterniert an.
    » W egen deiner Männer?«
    Lieber Gott, lass n eue Gesprächst h e m en vom H i m m el  regnen!
    »Komm m it zu Voll m oell e r«, sc h l u g Ursi nach kurzem  Überlegen vor.
    »Einem seiner berüh m ten … Weinabend e ?«
    »Da gibt’s Kerle für jede.«
    »Klingt wahnsinnig verlockend.« Jetzt m usste sie ein
    Grinsen unterdrücken. Das konnte nicht Ursis Ernst sein.
    »Für jede«, wiederholte Ursi und sah

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