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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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plötzlich traurig aus, ein Ki n d, das sich an den toten F a m ilienhu n d erinnert.
    Chiara löste sanft Ursis Hand vom Glas und nahm sie in die ihre. »Du hast so was nicht nötig. Nicht du. W enn Arthur wirklich m eint …«
    »Aber es ist toll«, wider s prach Ursi ohne jede  Begeisterung.
    »Das ist es nicht.«
    »Du warst ja noch nie dort.«
    »Muss ich auch nicht. Man hört genug darüber.«
    »Voll m oeller ist ein … ein Gentle m an.« Ursi wollte wieder nach dem Glas greifen, aber Chiara hi e lt ihre Hand fest. »Er m a g m i ch. Viel m e hr, als Arthur m i ch m ag.«
    Grundgütiger!
    »Über m org e n ist wieder eine Party bei ih m «, sagte Ursi.
    »Ich geh auf jeden Fall hin.«
    »Tu’s nicht.«
    Ursis Leidens m iene wurde pl ö t zlich zu einem Lächeln.
    »Komm doch m it und pass auf m i ch auf!«
    »Das werd ich bestim m t nicht.«
    »Dann werden sie sich wieder zu m ehreren über m i ch her m achen.«
    »Scheiße, Ursi, das …«
    »Komm m it!«
    »Nein.«
    »Komm m it!« Ursi legte d e n Kopf schie f . »Biiiitte.«
    »Nein.«
    »Komm m it, komm m it, komm m it, komm …«
    »Liebe Güte!«
    »Sag: Vielleicht.« Chiara sch w ieg.
    »Nun sag’s schon.«
    Chiara nahm Ursis Glas und trank es in einem Zug leer.
    »Vielleicht«, sagte sie nach einer Pause.
     
     
    *
     
     
    Doktor Karl Voll m oeller kam aus reichem Hause und hatte seine Jugend da m it verbracht, alles Mögliche auszuprobieren, um in Zukunft seine Zeit totzuschlagen. Er hatte sich als Maler v ersucht, als Musiker, als Poet und Archäologe – bis er m it dem Verfa s sen von Theaterstücken zu einigem E r folg gelangte und innerhalb kurzer Zeit zu einem der führenden Dra m atiker Deutschlands wurde. Max R e inhardt protegierte ihn und hatte ihm zu Ruhm v e rholfen; seine Inszenierung von Voll m oelle r s Panto m ime Das Mir a kel war ja hr elang m it großem Erfolg gespielt w orden.
    Freilich war es nic h t allein Voll m oellers musisches Talent, das ihm neben einer prachtvollen Residenz am Pariser Platz auch n och einen Palazzo in Venedig eingebracht hatte – den größten T e il sein e s Gel d es hatte e r seiner Herkunft zu verd a nken. Wann er seine Stücke schrieb, wusste nie m and so recht, denn die m eiste Zeit
    schien er m it ausschweifenden Partys im kleinen und großen Kreis beschäftigt, und m an erzählte sich, dass es kein Revue m ädchen in Berlin zu etwas brachte, das zuvor nicht nähere Bekanntschaft m it dem guten Doktor geschlossen hatte. Manches m ochte Übertreibung sein, das m eiste aber stim m t e und w u rde von Voll m o e ller nicht bestritten – tatsächlich sonnte er sich im Lichte seines zweifelhaften Rufes. Er konnte gewiss sein, dass die m eisten, die ihm übel nachred e ten, nur beleidigt waren, weil sie keine Einladungen zu seinen E m pfängen erhielten.
    Bereits einen Tag nach dem E m pfang bei Betty Stern hatte Chiara ein persönliches Sch r eiben Voll m oell e rs in ihrer Post gefunden. Es wäre ihm eine Ehre, sie am morgigen Abend im K r eise seiner Freunde begrüßen zu dürfen. Ursi hatte keine Zeit vertan und offenbar noch am Morgen alles Nötige in die W ege g e leitet, und V oll m oeller war offenb a r nur zu gern ber e it, ei n en weit e ren weiblic h en Star in s e i n e Gesellsc h a f t einzu f ühren. Chiara f ühlte sich gesch m eichelt, und natürlich war sie neugierig; wer wusste schon, wozu es gut war, sich in V oll m oellers Umfeld zu zeigen. Sie hatte keine A m bitionen, was das Theater anging, sich jedoch Voll m oellers Treiben persönlich anzuschauen und m it eigenen Augen zu sehen, worüber die Leute tuschelten, m ochte durcha u s sei n en Reiz haben.
    Zudem hatte sie sich in den Kopf gesetzt, ein paar vorsichtige Nachforschungen zu betreiben: Gab es Gerüchte über Torbens Tod, die nicht in den Zeitungen standen? W usste je m and von seinem Unfall? Und vor alle m : Gab es noch andere, die in d er Kli n ik am Tierg a rt e n behandelt worden waren?
    Die Seance bei Ursi war ihr eine W arnung gewesen, m ehr noch der Abend m i t Masken, aber sie glaubte, gegen
    alle Avancen gerüstet zu sein. Kein Koks, Alkohol in Maßen, und wenn irgendetwas darauf hindeutete, dass den Speisen et w as zugesetzt worden war – nun, dann würde sie eben hungrig bleiben.
    Als Ursi sie abholte, war sie erstaunt, dass Her m ann nicht im W a gen saß. »Er ist nicht eingeladen«, sagte Uris grinsend.
    »Er und Voll m oeller m ö gen sich nicht.«
    »Und da gehst du ohne ihn ? «
    »Bin ich vielleicht

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