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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sein Schoßhund?«
    »Manch m al m acht es jedenfalls den Eindruck.«
    Ursi sch m ollte – ungefähr zwei M i n uten lang, d ann war sie wieder b ester L aune. Spätestens als der W agen sie am Pariser Platz absetzte, war s i e geradezu ausgelas s en. Chiara vermutete, dass sie bereits gekokst hatte, fragte aber nic h t d anach. Ursi musste sel b st wissen, w as sie tat. Wenigstens spritzte sie kein Morphium – sie hatte Angst vor den Einstichen.
    Ge m einsam m it ihnen ka m en zw ei Pärchen an. Die Frauen kannte s i e nicht, aber die Mä n ner waren Bankdirektoren, die m an ihr auf irgendeinem E m pfang vorgestellt hatte. Beide grüß t en sehr fö r m lich, und doch konnte Chiara sich des Eindru c ks nicht erwehren, dass es in beid e r Augen au f blit z te.
    In der Nähe der Tür trieben sich ein paar Gestalten m i t  Notizblöcken und Fotoka m er a s auf Stativen heru m .
    »Na, wunderbar – die Presse!«, flüsterte sie Ursi zu, die sich so g l eich in Pose warf, ihr s t ra h l endstes Lächeln aufsetzte und den Reportern ein »’n Abend, Jungs!« zuwarf. Ein Licht fla mm t e auf, erfasste Ursi m it breitem Lachen, Chiara aber, schräg hinter ihr, m it entner v t em Gesichtsausdruck. Der Abend ging wirklich gut los.

»Du bist un m öglich«, sagte sie zu Ursi, als m an sie endlich einließ.
    » W aru m ? Jede Presse ist gute Pres s e . «
    »Denkst du das wirklich ? «
    »Sagt Arthur.«
    Chiara winkte m it einem Kopfschütteln ab.
    Nachdem m an ihnen die Mäntel abgenommen hatte, wurden sie von einem jungen Mann in Butlerlivree in den Salon geführt, vorbei an Sockeln m it griechischer und rö m i scher Kunst, sicher keine N achbildungen, sondern unbezahlbare Originale.
    Es waren bereits eine Menge Leute da, ein paar der üblichen G esichter, die auf jeder Party und bei jeder Pre m iere zu sehen waren, aber a u ch andere, die Chiara überraschten – ein paar Reichstagsabgeordnete von Zentrum und DVP m it j ungen Begleiterinnen, bei denen es sich höchstwahrscheinlich nicht um Ehefrauen handelte.
    Voll m oeller kam ihnen entgegen, begrüßte Ursi wie eine alte Freundin und ließ wie beiläufig die Fingerspitzen über ihren tiefen Rückenau s schnitt g l eiten. Als er s i ch Chiara zuwandte, beschloss sie, dass sie ihm eine runterhauen würde, falls er das Gleic h e bei ihr versuchte. Aber Voll m oeller wahrte höflichen A nstand, schüttelte ihr freundlich die Hand, m achte Ko m pli m ente über die Auswahl ihrer Rollen und sp r ach sie erfreulicherweise nicht auf ihre Schwester an. Er war ein schlanker, ernsthaft wirkender Mann m it scharfen Zügen, hoher Stirn und zurückgekäm m t e m Haar. Sein Blick durch kleine Brillenglä s er war inte n siv, a b er ni cht unan g e n eh m . D i e Dekadenz, die er ausstrahlte, hatte ni c hts Grelle s , Plakatives an sich – sie war von einer feineren Art, mühelos, dezent wie die p e rfekte Ma n i k üre seiner Fingernägel, der sündhaft teure S t off seines Binders.
    Nichts an ihm wirkte aufdringlich, und doch war da etwas, das beim Gegenüber hängen blieb und sich tief ins Gedächtnis grub.
    Chiara m o c hte ihn nicht, fand ihn aber faszinierend. Schon beim ersten Händeschü t teln glaubte sie jedes Gerücht über ihn und konnte sich doch seinem Charis m a nicht entziehen.
    Er führte sie durch den S a lon, m achte sie m it einigen Leuten bekannt und entschuld i gte sich schließlich, um neue Gäste zu begrüßen.
    In einem Nebenzim m er verspr a ch eine f estlich g edec k te Tafel erlesene Genüsse. Zahlr e iche Sofas standen an den Wänden, Diwans hinter Spa n ischen Wänden, Kissenberge und üppige Chaiselongues ließen die Zurückhaltung Voll m oelle r s völlig v e r gessen. Alle wussten, um was es ging. Kein Grund für Gehei m nisse.
    Ursi flirtete m it ein e m Mann, in dem Chiara nach einem Mo m ent einen Maler erkannte, dessen N a m en sie vergessen hatte. W as versprach Ursi sich von ih m ? In vielem war sie wie ein Kind – ein gefundenes Fressen für die Haie in diesem Raubfischbecken.
    Ich sollte sie an der H a nd neh m en und schleunigst von hier verschwinden, dachte Chiara. Jetzt wä r e eine gute Chance dazu. Noch sind nicht alle G äste da.
    Sie stieß scharf die Luft a u s, als Masken am Eingang auftauchte. Er schaute sich u m , entdeckte sie und kam schnurstracks herüber.
    »Chiara«, sagte er erfreut und schüttelte i h re Hand. »Ich wusste nicht, dass Sie hier sein w ürden.« Noch im m er siezten sie sich. Falls er darauf hoffte, dass

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