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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ein, dass sie beinahe in die Knie ging.
    Der Portier hielt ihr die Tür auf, im m er noch, obwohl sie keine Anst a lten m achte, das Hotel zu betreten. »Gnädige Frau ? «
    Sie hörte ihn und hörte ihn doch nicht. Blieb stehen und starrte ins regenprasselnde Dunkel des Boulevards. Die La m pen vorbeifahrender Auto m o bile zogen vorüber. Obwohl hier sonst viele Fußgänger unterwegs waren, hatten sich die m eisten vor dem Regen ins Trockene zurückgezo g en.
    »Gnädige Frau ? «
    Sie hatte plötzlich Tränen in den A ugen und hasste sich dafür. Sie kra m te i n ihrer Handtasc h e nach einem Taschentuch, aber bevor sie eines finden konnte, stand der Portier bereits neben ihr und h i elt ihr eines entgegen. E r hatte Hände wie ein Riese, fand sie und wunderte sich,
    dass sie das gerade jetzt be m erkte.
    Sie nahm das Tuch und tup f te sich die Tränen von den Wangen. Sie wollte s i ch u m drehen und ins Hotel gehen, dann fiel ihr ein, dass sie noch sein Tuch in der Hand hielt und stam m e lte, dass sie es am Morgen in die Reinigung geben würde. Verzeihung. V i elen Dank. Entschuldigen Sie.
    Er lächelte sein war m es Bärenlächeln und schnappte das Tuch aus ihren Finge r n. Blitzsch n ell ve r schwand es in seiner Uni f or m . »Neh m en Sie’s m i r nicht übel, gnädige Frau, aber Sie sollten nicht in der Öf f entlich k eit stehen und weinen.«
    »Ja, ich weiß, das schickt sich nicht, und m ein Ruf …«
    »Ach, was, zum Teufel da m it, wenn ich das so sagen darf, Gnädigste. Das m ei n e ich doch gar nicht. K e i ne Frau sollte im R e gen stehen und weinen. Nein, wirklich nicht.«
    Seine Freu n dlichk e it m unte r te sie ein wenig auf, aber nicht genug, um mit dem Weinen aufzuhören. Sie wusste nicht ein m al, weshalb sie heulte, und das m achte es noch ein wenig schlim m er. S i e hasste es, wenn auf einen Schlag alle Dinge hochka m e n, die einen zur Verzweiflung trieben, und doch so diffus blieben, dass m an sich nicht da m it auseinander setzen konnte.
    Der Portier schaute prüfend, ob a ndere Gäste in der Nähe waren, doch der Regen hat t e alle vertriebe n . Er le g t e einen Finger unter Chiaras Kinn und hob es, da m it er ihr in die Augen blicken konnte. Da m it verstieß er gegen jede Etikette, a b er das sc h i en ihn nicht zu küm m ern.
    »Hör zu, Mädchen, lass dich nicht unterkriegen. Nicht von denen.« Seine Sti mm e war tief und angeneh m . »Ich hab so viele von euch hier weinend ein und aus gehen sehen, so viele, die todunglücklich gewesen sind, egal, ob sie Er f olg h atten o d er n i cht. Glaub m i r, das ist es nicht  wert. Keiner von denen ist es wert.«
    Sie erwiderte seinen Blick und vergaß zu schluchzen. Ihre Tränen versie g t en.
    Nach einem Blick über beide Schultern fuhr er fort:
    » W as du tust, tust du für dich, verstanden? Nicht für die Leute, denn die jubeln auch einer anderen zu. Auch nicht für die Geldsäcke und die Regisseure und die anderen W i chtigtuer. Tu’s für dich. Und entscheide dann, ob du’s wirklich willst.«
    Sie wollte etwas sagen, ließ es bleiben und nickte nur.
    Er grinste, zog die Hand zurück und straffte sich.
    » W ünsche einen schönen Abend, gnädige Frau«, sagte er etwas lauter und hielt ihr erneut die T ür auf.
    Sie ging hindurch, lächelte ihm zu und flüsterte m it belegter Stimme: »Da n ke.«
    Der Lärm der Hotellobby schlug über ihr zusa mm en. Sie konnte ihn draußen jetzt k a um noch sehen, nur ein bärengroßer U m riss unter den Lichtern des Eingangs. Sein Gesicht lag im Schatt e n seiner U ni f ormmütze. Sie war nicht s i cher, ob er ihr n achblickte, aber sie lächelte ihm noch ein m al zu, winkte fahrig und wandte sich zu den Aufzügen.
    In ihrem Zimmer lag ein Zettel m i t einer Nach r i cht von Masken, die er telefonisch du r chgegeben hatte: Er habe sich e n tschlossen, d och noch ein paar Szenen nachzudrehen.
    Er wolle Jula ko m plett aus dem Fi l m entfernen. Denn er wisse jetzt, dass Chiara den Film allein tragen könne.
    Sie warf sich au f s Bett – dasselbe Bett, in d e m schon Jula vor Jahren geschlafen hatte – und starrte die halbe Nacht zur D ecke e m por.
     
      
      
      
    Sieben
     

    Masken gab zum Abschluss der Dre h arbeiten ei n e Party in einem Prunksaal des Adlon. Alle Fil m leute, die Chiara bislang kennen gelernt hatte, waren gekommen – und noch ein paar Dutzend m ehr.
    » W as würde wohl Jula dazu sagen ? «
    Arthur Her m ann, Urs i s Liebhaber, stellte die Frage als Erster, obwohl

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