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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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lassen. Alles in allem war die Sache gli m pflich ausgegangen. Die einzi g e Szene, die noch gedreht w erden m usste, war ein Abstieg Poes die Kellertreppe hinunter, wobei ihm wieder ein m al die geisterhafte Madeline begegnete. Nach einig e m Hin und Her entschloss sich Masken, die Sequenz zu streichen, und alle waren sich einig, dass dies für den F ilm kein Problem darstellte.
    Nie m and wusste, wie d as Feu e r entstanden war. Einige sprachen von Brandstiftung. Chiara aber erinnerte sich daran, wie Torben Grapow vor Tagen seine Z i garette an der Rückseite der Holzkulissen ausgedrückt hatte, und sie fragte sich, ob er auch heute in einer Drehpause hinter den Wänden geraucht hatte. Sie beobachtete ihn, während sie ge m eins a m m it einer Li m ousine nach Hause gebracht wurden; er erschien i h r fahriger als sonst, eine Spur zu nervös, was ganz allge m ein an d e n Ereignissen liegen mochte, oder aber an seiner Schuld daran. Irgendwann schien er ihre Auf m erksa m keit zu be m erken, aber der Blick, den er ihr schenkte, war weniger gereizt als verwundert.
    »Viell e icht musste es ja so kom m en«, sagte er, bevor der Fahrer ihn am Sachsenplatz a u ssteigen ließ. Es waren die einzigen Worte, die er während der ganzen Fahrt gesprochen hatte.
    » W as hat er d a m it ge m e int ? «, fragte Chiara Götzke, der ge m eins a m m it ihr auf der Rückbank saß. Er war nur notdürftig abgesch m inkt, so wie sie selbst.
    »Nichts. Vergessen Sie’s.«
    »Nein, erzählen Sie’s m i r.«
    Der Schauspieler seufzte. Lichterkaskaden flossen über seine kantigen Züge, L a m pen und W erbetafeln, die draußen vorüberzogen. »Das ist Unfug, wirklich.«
    »Nun spannen Sie m i ch nicht auf die Folter.«
    »Herr Götzke«, rief der Fahrer über die Schulter, »wir sind gleich da.«
    »Danke.«
    »Also ? «
    »Er hat auf etwas angespielt, ein Gerücht, wenn Sie s o wollen.«
    » W as für ein Gerücht?«
    »Über Ihre Schwester. Dass sie Unglück bringt … gebracht hat. Es hat bei vie l en ih r er Dreharb e it e n Un f älle gegeben. Medusa war n ur der spe k takulär s t e Fall, es gab noch eine Menge andere. Nic h t nur Brände, auch Stürze oder Zusa mm enstöße m it Automobilen. E i n m al wurde je m and von einem Pfe r d halb zu Tode getrampelt.« E r winkte ab. »Aber m achen Sie sich nichts d ra u s, so was kann überall passieren, und es ist nicht m al besonders selten.«
    »Ich soll m i r nichts … – Mo m ent, m einen Sie … Liebe Güte, Sie denken, das gilt auch für m i ch?« Sie beugte s i ch zu ihm und ließ nicht zu, dass er ihrem Blick auswich.
    »Hat Grapow das ge m eint? Dass dieser … Fluch von Jula auf m i ch übergegangen ist ? «
    »Keine Ahnung. Vielleicht hat er’s ge m eint. Ich habe Ihnen gleich gesagt, dass es Unfug ist. Nehmen Sie es nicht ernst.«
    Chiara schnaubte entrüstet. »Ich ganz bestimmt nicht. Aber er, so wie’s aussieht!«
    Der W agen hielt an.
    »Denken Sie nicht m ehr daran«, sagte Götzke m it einem auf m unternden Lächeln, als er ausstieg. »Torben ist ein Kindskopf.« Er nickte dem Fahrer zu, der ihm die Tür au f hielt.
    »Gute Nacht. Auch Ihnen, Chiara.«
    Sie m u r m elte etwas zur Erwiderung, wusste aber schon nicht m ehr, was es gewesen war, als der W agen weiterfuhr. Regen prasselte gegen die Scheibe. Der Fahr e r hielt ein paar Minuten später vor dem Adlon, und dies m al war es der alte Portier, der herbeieilte und ihr die Tür öffnete. Sie stand neben ihm auf dem roten Teppich, als der W agen sich entfer n t e. Regentropfen trommelten auf
    die breite Markise über dem Eingang, ein scharfer W i nd trieb die Nässe bis zum Glasportal.
    Mit e i nem Mal h a tte C hiara Ang s t. W i e aus d e m Nichts brach s i e ü ber s i e h erein. Ganz u n ver m ittelt k onnte s i e kaum noch einen Fuß vor den anderen setzen, ihr Körper weigerte sich, ihr zu g e horchen. W o war sie da hineingeraten? W as tat sie hie r ? Sie gehörte n i c h t in d i ese Stadt, nicht vor laufende K a m eras und ganz sicher nicht zwischen Menschen wie M a sken, Grapow und Ursi. Sie war eine Fre m de und würde es bleiben, ganz gleich, wie oft sie vorgab, eine Schauspiele r in zu sein. Vi e ll e icht war ja gerade das die größte ihrer schauspielerischen Leistungen, so überzeugend, dass sie da m it sogar sich selbst an der Nase herumführte.
    Jetzt aber, f ür einen Mo m ent, wurde das ganze Gebäude aus Schein und falschen Träu m en transparent, und was sie sah, flößte ihr solche F urcht

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