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Das zweite Gesicht

Titel: Das zweite Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Trödler erstanden hatte. Seltsa m erweise beunruhigte sie jetzt der Gedanke, dass dies alles Fre m de waren, Menschen, über die kei n er von ihnen etwas wusste. W i e ein Tribunal blickten diese ernsten, verschlossenen Gesichter auf die Gruppe herab. C hiara dachte, dass sie aussahen, als hätte m an ihre Mi m i k m it Theatersch m inke auf blanke Schädel gesch m iert.
    Die Vorhänge waren zugezogen, die Tür geschlossen. In kleinen R äucherbecken hatte Her m ann Gewürze entzündet, so süßlich, dass Chiara den Rauch auf den Lippen sch m eckte. Ur s i behauptete, der Geruch sei gut gegen den Alkohol, und ob es nun die W ahrheit war oder nicht, Chiara kam es tatsächlich so vor. Sie war noch im m er alles andere als nüchtern, aber den Höhepunkt ihrer Trunkenheit hatte s i e überwunden. Jetzt wollte s i e eigentlich nur noch schlafen.
    Statt d essen sollte sie m it ihrer Sch w ester s p rec h en. »Es funktioniert nur, wenn Blutsver w andtschaft dabei ist«, hatte Hermann erklärt, und ihr war klar geworden, weshalb er so darauf gebrannt hatte, dass sie ihn und die anderen begleitete.
    Das Gerät, der so genannte Psychograph, befand sich in der Mitte d es Tisches. Es bestand aus einer polierten Mahagoniplatte, in die das gesamte Alphabet und die Ziffern Null bis Neun als I n tarsien eingelegt waren; außerdem gab es zwei Felder m it den Schriftzügen Ja und Nein. Auf der Pl a tte l a g ein handtellergroßer,
    tropfenför m i ger Zeiger aus einem leichteren Holz, dessen  Spitze verg o l det war, d i e Planchette.
    »Der Fragende hält die H a nd über die Planchette, ohne sie zu berühren«, sagte Her m ann. » W enn er seine Frage laut ausgesprochen hat, bewegt sich die Pla n chette v o n Buchstabe zu Buchstabe und gibt so die Antwort.«
    » W er f ragt?«, wollte C h iara wi s sen. »Du?«
    Her m ann l ächelte. » D a ich anscheinend die größte  Erfahrung in diesen Dingen habe …«
    »Nein«, sagte Masken. »Chiara soll fragen.«
    »Ich ? «
    »Jula war deine Schwester.«
    »Ich dachte es reicht, wenn ich anwesend bin.« Her m ann n i ckte. »Allerdings.«
    Aber Mas k en ließ n i cht locker. » W enn Chiara es m acht, können wir wenigstens sicher sein, dass die Planchette nicht m anipuliert wird.«
    »Ich würde nie …«, begann Her m ann.
    »Natürlich nicht«, unterbrach ihn Masken.
    Ursi kicherte wieder. Gleich nach ihrer Ankunft hatte sie einen Silberteller m it Koks heru m g ehen la s sen. Sie selb s t hatte sich kräftig bedient, e b enso das Schau s p i e l e r pä rc hen und eine der beiden Blondinen. Auch Lea hatte eine kleine Prise genommen. Masken, Her m a nn und Chiara hatten abgelehnt. Her m ann war sic h tlich ver ä rgert über Ur s i s Mangel an E rnsthaftigkeit.
    In den vergangenen Wochen w a ren Chiara m ehr als ein m al Drogen angeboten worden, von Bekannten während der Dreharbeiten und auch von Fr e m den, die sie auf Partys und E m pfängen ansprac h en. Zwei m al hatte sie Koks probiert und konnte sich an so gut wie nichts m ehr erinnern. Sicher, alle nah m en es, viele auch Morphiu m ,
    m anche H e roin, und wenn s i e sich selbst gegenüber aufrichtig war, fand sie nic h ts Verwerfliches m e hr daran. Aber sie hatte im m er noch Julas Tod i m Hinterkopf. Alle sagten, Drogen seien nur in großen Mengen gefährlich, und war Alkohol das nicht auch?
    »Na schön«, m einte He r m ann, nachdem er die Planchette noch ein m al vom Brett gehoben und allen die glatte Unt e rseite gez e igt h a tte. »Chiara, würdest du wohl ? «
    Sie hörte die W orte wie durch einen Schleier, und die Vernunft sagte ihr, dass sie ablehnen solle. Aber Lea nickte ihr auf m unternd zu, und so sagte sie ja.
    »Du m usst die Hände über dem Zeiger kre u zen, ein pa a r Zenti m eter darüber, ohne das Holz zu berühren. Ja, genau so. Und die Finger spreizen.«
    »Die Beine, m eint er«, sagte Ursi und kicherte. »Das sagt er immer, m ach doch m al die …«
    »Ursi!«
    Sie verstum m te, kicherte aber weiter in sich hinei n . Nie m and s onst fand sie im Augenblick besonders a m üsant.
    » W ir wer d en uns jetzt a lle k o nzent r ie r en « , sagte Her m ann und schoss dabei einen vernichtenden Blick auf Ursi ab. » All e , einverstanden ? «
    Ursi sah a u s, als wür d e sie jeden Mo m ent lospruste n , wurde dann aber auf einen Schlag vollkom m en ernst und nickte. Ihre Lider flatterten nervös, ansonsten zeigte ihr Gesicht keine Regung.
    Chiara dachte, dass es nicht lange dauern konnte, bis ihre

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