Das zweite Gesicht
ei n en gewalti g en
Wandteppich m it versch l ungenen Drachenleibern, ein Original aus der kaiserlichen Manufaktur in Peking; japanische No- und Bukhara-Masken; sia m esische Te m pelg e mälde und chinesische Rollbilder aus Papyros, die filigra n e Landschaften m it Pagoden und exoti s chen Bäu m e zeigten; bedrohliche Götterbilder aus Ceylon und der Kolonie Neu m ecklenburg. Besonders stolz war er auf eine bedro h lich wirken d e Gespenster m aske aus dem alten Japan.
»Alle Zimmer sind voll m it solchen Funden. Meine Frau und ich sa mm eln beide, wissen Sie.«
Er bot ihr verschiedene Tee s orten mit ex o ti s chen Na m en an, lächelte dann und setzte hinzu: »Sie können natürlich auch Kaffee haben. Oder etwas Alkoholisches, falls Sie mögen.«
War das ei n e Anspielu n g a u f ihren Zustand während der Feie r ? Sie h o ff t e nicht. »Ein Glas Wasser, bitte, wenn es keine U m stände m acht.«
Nachdem er ihr eine Karaffe m it Wasser und ein Glas hingestellt und sich selbst einen duftenden Tee eingeschenkt hatte, nahm er ihr gegenüber Platz und kam zur Sache. Er erzä h lte ihr, dass die Montage d es zweiten Mabuse-Teils noch nicht ganz abgeschlossen sei, er aber schon seit Monaten seinen n ä chsten Film vorbereite. Wo m öglich habe sie schon gehört, dass er auch m it ihrer Schwester darüber gesprochen hatte. Er erwähnte weder den Streit, noch Julas Kom m en t are über ihn in den Zeitungen.
Er plane eine Verfil m ung des Nibelungenliedes in einem Stil, der bislang n i cht da gewe s en s e i. » K ennen Sie Reinhardts Inszenierungen am Deutschen Theater?«, fragte er.
Sie nickte, obwohl sie noch keine seiner Aufführungen besucht hatte.
»Die Art wie er die Ma s sen platziert – das i s t es, was m i r vorschwebt. Nur größer, gewalti g er. Das wird d e r teu e rste Fil m , der j e m als in Deutschl a nd produziert worden ist. Die Ufa wird uns die nötigen Mittel zur Verfügung stellen.«
Im m er wieder gestattete sie sich ein Kopfnicken, sagte aber nichts und hatte auch nicht den Eindruck, dass er das erwartete.
»Jula sollte die Krie m hild spielen. Natürlich blond, verste h t sic h . Eine Kri e mhild m it italie n i schem Einschlag würde m an uns, fürchte ich, üb e l neh m en.« Er lachte kurz, dann sagte er: »Nun dachte ich daran, die Rolle m it Ihnen zu besetzen, Chiara. W a s halten Sie davon ? «
»Ich bin … gesch m eichelt.«
Er läc h elte, weil er n a türli c h n i c h ts anderes erwartet hatte. Allmählich kam sie zu dem Schluss, dass alle Männer im Fil m geschäft so einfach zu durchschauen waren wie die seltsa m e Glasfigur, die in Langs Wohnz i mmerfenster stand. Ein überproportionaler Phallus do m i nierte die Gestalt. Auch die Hände waren riesig, m it Fingern wie Spinnenbeinen.
»Es wären natürlich Probeaufnah m e n nötig«, sagte er.
»Natürlich.«
Er m achte eine Pause. »Nun«, sagte er dann, » V ielleic h t sollten Sie m i r jetzt ei n paar Fra g en stellen. Sie wollen sicher eine Menge wissen.«
»Ähm … ja. Sic h er.« Die Drachen auf dem Wandteppich in seinem Rücken schlängelten sich um seinen Kopf wie zwei H austiere aus einem Albtrau m . Sie stellte ein paar Frage n , die ihr gerade einfielen: W ann denn Drehbeginn sei; wie lange die Arbeiten dauern sollten; welche Anforderungen an sie gestellt w ürden; wer
noch m itspielen sollte. Er bea n two r tete b e reitwillig a lles, so weit er die Antworten bereits kannte, und sie freute sich zu hören, dass Bernhard Götzke, ihr Fil m bruder aus dem Untergang des Hauses Usher , fü r d i e Ro ll e des Minnesängers Volker von Alzey vorgesehen sei; tatsächlich war er es gewesen, der La ng auf sie auf m erksam g e m acht und sie für die Rolle der Krie m hild vorgeschla g en hatte. Si e m achte sich eine gei s tige Notiz, ihm einen netten Dankesbrief zu schreiben.
Lang schlug ihr vor, in der kom m enden W oche ein pa a r Aufnah m en zu m achen. »Nur ein paar har m lose Sachen«, sagte er, »in einem provisor i schen Kostü m , mit Perücke und so weiter. Nichts, das Sie verunsichern m üsste.«
»Das tut es nicht, keine Sorge.«
»Dann sind wir uns so weit einig ? «
Sie nickte, zögerte einen M o m ent und sagte dann: »Darf ich Sie noch etwas fragen?«
Er rückte in seinem Sessel ein S t ück nach vorne, bis er fast auf der Kante saß. »Gewiss.«
»Ich weiß, Sie und m eine Schwester hatten Streit m iteinander.« Sie wartete auf seine Reaktion, aber er sah sie weiterhin sehr gelassen
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