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Das zweite Imperium der Menschheit

Das zweite Imperium der Menschheit

Titel: Das zweite Imperium der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Oberfläche
gehen und weiterarbeiten.«
    Der Roboter gab seiner Mannschaft einen unhörbaren Befehl. Sieben silberne
Gestalten bewegten sich auf die Treppe zu und stiegen in die Höhe. Wieder
nahm Wayman einen Schluck und schraubte den Verschluss der Flasche zu. Er steckte
sie in die Tasche zurück, als er verschwommen einen Ruf hörte.
    »Doug, du kannst nachkommen. Es ist alles in Ordnung.«
    »Jawohl«, schrie er und drehte sich zu der zweiten Gruppe Roboter
um, die wartend im Hintergrund standen. Er schickte sie mit wenigen Worten hinauf
und rannte los.
    Garrys schmaler Kopf war das erste, das er sehen konnte. Die Lichtfülle
des Scheinwerfers blendete ihn, da sie von einer Platte aus fast weiß
schimmerndem Elektrum reflektiert wurde. Er kniff seine Augen zusammen. Die
Pupillen verkleinerten sich zu stecknadelgroßen Punkten. Die Platte trug
in der Mitte schwarze Griffe, die in Form zweier Menschen gearbeitet waren,
die sich von der Fläche wegkrümmten, als verbrenne sie der Glanz.
Garry hatte einen Handschuh ausgezogen. Seine Fingerspitzen fuhren wie liebkosend
über die Konturen.
    »Eine herrliche Arbeit! Eine andere Epoche als die bisherigen Funde. Naturalistisch
bis in den letzten Muskelzug hinein.«
    »Mordoks Grabkammer! Wir stehen an der Schwelle.«
    »Wer öffnet sie?«, fragte Sarcec leise und ergriffen.
    »Garry hat, glaube ich, die meiste Erfahrung.«
    Garry nickte, sagte aber kein Wort. Er holte aus der Tasche, die ihm Sarcec
reichte, ein glitzerndes Werkzeug und drehte es einmal. Dann presste er es in
die Rille und zog die Schneide durch die fast unsichtbare Dichtungsmasse der
beiden Türflügel. Clinton und Andreatta griffen nach den Figuren und
zogen die Türflügel auf.
    Die Männer hinter ihnen wurden unruhig. Kyler hustete nervös. Die
Flügel drehten sich gegen die Wände und gaben einen schweren Vorhang
frei, der noch vollständig erhalten wirkte. Die trockene Luft, die nach
seltenen Ölen und Duftstoffen schmeckte, hatte zur Erhaltung beigetragen.
Garry zog den schweren Leinenvorhang zur Seite. Lautlos lösten sich Textilfasern
auf und rieselten zu Boden. Hinter ihm wurde der Scheinwerfer eingestellt. Er
warf sein Licht auf das, was sich in der Mitte der Gruft befand.
    Ein goldener Mordok!
    Der tote Herrscher war präpariert worden. Dann hatten ihn die Künstler
mit Goldblech überzogen. Er bot das Bild einer massiven Statue. Mordok
saß auf einem Schemel im Kampfwagen, von vier pferdeähnlichen Tieren
gezogen. Sie waren ausgestopft gewesen. Jetzt zog sie die Last des schweren,
goldenen Geschirrs und der Schmuck zu Boden. Das Holz, das einst die Knochen
ersetzt hatte, war morsch geworden. Zwei Menschen saßen neben ihm. Ihre
Züge trugen noch nach sechshundert Jahren den Hochmut, der ihnen als Rosselenker
des göttlichen Mordoks eigen war. Um das Gefährt herum standen und
lagen Gefäße, kostbare Feldzeichen und reich verzierte Gebrauchsgegenstände,
die großen zeremoniellen Wert besaßen.
    Niemand hätte aus diesen schweren Schalen essen oder die unförmig
prunkvollen Pokale zum Trinken benutzen können. Aber der Glaube sagte den
Menschen von Khorsabad, dass der tote Herrscher daraus in der Ewigkeit seine
Nahrung zu sich nehmen würde.
    Von den Forschern, die sich hinter den Schultern des Sagittaners zusammendrängten
und mit leuchtenden Augen in die Pracht des Raumes blickten, kam kein einziges
Wort. Garry organisierte die nötigen Vorbereitungen. Eine Gruppe Roboter
sollte die Fundstücke an die Oberfläche bringen. Mordok – der
letzte Gott! Er war offensichtlich eines natürlichen Todes gestorben, sonst
hätte man Hinweise in den Zeichnungen finden müssen. Die Vorbereitungen
zum Begräbnis hatten lange gedauert; sie waren gründlich und sorgfältig
ausgeführt. Jetzt erst sahen die Forscher die wahre Gestalt des Mächtigen.
    Er war eine Großkatze – nach irdischen Begriffen. Aber anscheinend
waren die Katzen hier auf Khorsabad mutiert – die Hinterfüße
waren niedriger geworden und die Klauen fingerähnlicher, auch der Kopf
hatte sich entsprechend verschoben. Seit Generationen musste diese Entwicklung
erfolgt sein.
    »Digna merces labore«, zitierte Garry. »Arbeit wird würdig
entlohnt!« Er hantierte mit der Kamera. Jeder Gegenstand wurde aus verschiedenen
Winkeln aufgenommen und sein Standort für alle Zeiten festgehalten. Andreatta
notierte die Funde und murmelte leise dazu.

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