Das zweite Imperium der Menschheit
Begreiflichen liegen.
Kommst du in den Schatten?« Er sah kurz zu den anderen hinüber. »Ich
muss mit dir reden. Wir brauchen keine Zeugen.«
»Natürlich, dort, beim Tempel.«
Sie gingen zwanzig Meter und setzten sie sich auf eine Stufe der Tempeltreppe.
Jorge lehnte sich an den Stein, der noch von der Hitze des Tages glühte.
»Du weißt, dass man nahezu alle Veränderungen innerhalb des
menschlichen Körpers messen kann. Manchmal kann man es auch nicht, und
die Ärzte behelfen sich mit der Interpretation ihres persönlichen
Eindrucks. Haben sie Glück, dann nennt man sie ausgezeichnete Diagnostiker.
Aber Hirnwellen kann man messen. Ich habe dies getan, da wir alle gesund waren
und nur die rätselhafte Infektion dazwischenkam.«
»Jorge, um ENIGMAs Willen, was willst du sagen?«
»Nichts. Nur Vermutungen.«
»Aber?« Garry sah Jorge direkt ins Gesicht. Der Biologe erkannte hinter
den Augen die nackte Furcht, die Angst vor ungewissen Folgen, die man nicht
bekämpfen konnte, weil man ihre Herkunft nicht ahnte.
»Mark Sheroy hat bisher eine normale Frequenz in seinen Hirnwellenmustern
gehabt. Gehabt ...«
»Und jetzt?«
»Die Schwankungen liegen um ein Dreifaches nach jeder Seite höher.«
Jorge schwieg erschöpft. Die Arbeit, das fehlende Abendessen, die Sorge
um das Wohl seiner Kameraden und nicht zuletzt der rasende Schmerz, der gegen
seine Schläfen pochte und einen stechenden Druck am Hinterhaupt ausgelöst
hatte, zeichneten harte Linien in sein Gesicht. Dann schüttelte er den
Kopf, als wolle er den Druck loswerden.
»Das kann bedeuten«, fuhr er leise fort, »dass entweder im Kopf
Mark Sheroys der erwähnte Kampf zwischen Viren und Zellkernen tobt, oder
aber, dass die Zellkerne ihre Arbeit vermehren, zumindest dabei sind, es zu
tun. Das hieße, dass in letzter Konsequenz entweder Mark verrückt
wird und mit ihm wir alle, oder ...«
Garry spürte nicht, wie die Narkorette seine Finger versengte. Erst
als ihm der Geruch in die Nase stieg, schleuderte er den Rest weg. Sofort setzte
der Schmerz ein.
»... dass unsere geistigen Möglichkeiten steigen. Aber noch ist nichts
erwiesen.«
Sie schwiegen und zermarterten sich die Köpfe, suchten nach einem Ausweg.
Jorge fasste sich zuerst.
»Wir müssen Cutie Tomessen anrufen und ihn bitten, sich einer Unterhaltung
zu stellen. Sollten wir wahnsinnig werden, so weiß keiner von uns, wie
sich das äußert. Laufen wir Amok oder verweigern wir nur die Nahrung?
Zwischen stillem Dahindämmern bis zum Ende und der unkontrollierten Explosion
sind den Variationen keine Grenze gesetzt.«
Garry stand auf. Seine Hand fasste nach dem Metallkolben der Waffe.
»Ich weiß, was du meinst. Sollten wir Anzeichen von Wahnsinn
zeigen, so muss Cutie starten und den Planeten sperren lassen. Gehen wir.«
Tomessen kam die Rampe herunter; ohne Raumanzug und Waffe, so sehr vertraute
er den Männern, mit denen er seit Jahren zusammen war. Sie trafen sich,
von der Mannschaft und den anderen Forschern unbemerkt, hinter dem Rumpf des
Shuttles. Cutie fragte:
»Garry, was soll das bedeuten? Es ist alles so ... merkwürdig.«
Jorge stieß ein abgehacktes Lachen aus.
»Merkwürdig, das ist gut! Du sagst genau das, was mit uns vorgeht,
Cutie, und weißt nicht, wie verdammt recht du hast.«
»Lass das«, sagte Garry ruhig. »Es ist so«, redete Andreatta
weiter, dass in unseren Hirnen, wahrscheinlich hervorgerufen durch diese seltsame
Infektion, ein Vorgang stattfindet, der sich unserer Kenntnis entzieht. Es kann
sein, dass wir anfangen, uns in gewisser Weise zu verändern, aber es kann
auch eine negative Veränderung sein. Vorsicht, tritt nicht näher.
Wir können dich anstecken.«
»Macht nichts. Ich sterbe nicht gleich.«
Garry schaltete sich ein: »Darum geht es nicht, Cutie. Sollten wir von
einer Art Seuche befallen sein, so kannst du oder einer der Mannschaft Zwischenträger
werden und diese Seuche über das gesamte Imperium tragen. Die Folgen ...
nun, ich brauche nicht weiter zu sprechen.«
»Schön, ich habe begriffen. Und was soll ich tun?«, erkundigte
sich Cutie misstrauisch.
»Pass auf! Versprich mir, dass du genau das tust, was ich dir sage –
dem Imperium zuliebe.«
»Was ist also zu tun?«
»Wie rottet man, beispielsweise, Maul- und Klauenseuche aus?«, war
die Gegenfrage.
»Keine Ahnung. Bin ich Biologe?«
»Man tötet die Tiere, die diese Seuche verbreiten und selbst davon
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