Das zweite Imperium der Menschheit
seiner Überlegungen
überzeugen wollte.
Nur Capelt hatte niemanden, der ihm dreinredete. Er studierte die Beurteilungen
der Siedler und machte sich Notizen. Er würde der Mann sein, der sie zehn
Tage lang bei den ersten Arbeiten auf dem neuen Planeten beaufsichtigen musste
und einen Bericht zu schreiben hatte, der beim Imperium liegen würde. Dort
sah man, welche Leute nach welchen Gesichtspunkten ausgewählt werden mussten,
um die Grenzen des Imperiums durch kolonisierbare Planeten zu befestigen.
So verging Tag um Tag, messbar nur an den Chronometern und den Daten, die ins
Logbuch geschrieben wurden. Die Hyperraumsprünge brachten Abwechslung,
aber der Ausblick, der nichts zeigte als einen grauen, staubigen Nebel, erhellt
durch vereinzelte Lichtnester, scheuchte sie in die Kabinen. Alle, außer
Cerac. Er liebte diese Phasen des Fluges.
Allmählich näherten sie sich dem Ziel. Die Stimmung wurde gespannt.
Die Luft lud sich mit jener Nervosität auf, die ausgeprägte Individuen
erzeugten, wenn sie sich aneinander rieben. Die Spannung wuchs. Es wurde stiller
im Schiff. Näherte sich der Punkt, von dem Kommandant Sanderholm gesprochen
hatte?
Die Spannung entlud sich wenige Dutzend Milliarden Kilometer später. Es
begann, dass Jeans Minirekorder tagelang antike Musik des mittleren Ersten Imperiums
– Peter Gray, George Nancar oder Singh Boncard – spielte. Sie arbeitete
in ihrer Kabine an ihren Notizen, wühlte sich durch die Untersuchungsberichte
des Entdeckerschiffs, der CERVANTES das dem Imperiums den Planeten Hiorakon
gebracht hatte. Sie las über Spezimen der Fauna und Flora – über
Funde aus vorgeschichtlicher Zeit und Thesen, die das Fehlen intelligenten Lebens
erklärten.
Neben ihr stand der Apparat und vollführte infernalisch neobarocken Lärm.
George Nancar: Meteoritenschwarm. Die akzentuierten Sechszehntelnoten eines
Streichorchesters fingen sich an den metallenen Wänden. Diese begannen
zu vibrieren; die Schallabdichtung schien ungenügend. Theille saß
in der Nebenkabine und starrte gereizt gegen die Wand.
Nicht, dass er grundsätzlich etwas gegen U-Musik Terras hatte – er
kam aus dem Riesensystem von Coma Berenicae Kappa. Dort hatte sich eine völlig
andere musikalische Form durchgesetzt, von den Rhythmen der Eingeborenen inspiriert.
Er konnte jedoch diese Art Terra-Musik nicht länger als drei Stunden vertragen.
Jean spielte sie bereits seit fünf Stunden.
Marco drückte den Knopf des Schiffsfunks. Der ENIGMA-interne-Projektor
erstellte ein halb wandgroßes Holo. Jean sah ihn direkt an. Auf ihrer
Schreibplatte stand ein kleines Wiedergabegerät, dessen zutreffende Bezeichnung
sich seit Urzeiten gehalten hatte; ein Ghettoblaster.
»Ja?«, fragte sie unschuldig.
Theilles brandroter Schopf schien zu knistern. Noch beherrschte sich der Imperiumsforscher.
Seine Worte klangen gepresst.
»Jean, bitte schalte diese unmöglichste aller unspielbaren Musiken
aus! Ich kann mich nicht konzentrieren.«
Jean zog die Augenbrauen hoch und drehte den Lautstärkeregler zurück.
»Genügt es so?«
»Ich bat darum, dass die Musik ausgeschaltet werden sollte. Bitte,
tu mir den Gefallen!«
»Kaum, Marco! Ich brauch sie zur Konzentration. Ich muss arbeiten.«
Marco krallte die Finger um das Profil des Schottrandes. Die Knöchel traten
weiß hervor. Er fragte wütend:
»Ich muss auch arbeiten! Kannst du nicht etwas Rücksicht nehmen? Oder
Kopfhörer aufsetzen? Ist das so schwer?«
Jean trennte die Verbindung. Als sie den Comaer fluchen hörte, lächelte
sie und arbeitete weiter. Marco überlegte, verließ seine Kajüte
und rief den Avatar. Sanherib schickte einen Schreiber, der Marcos Vorschlag
auf einem virtuellen Papyrus notierte und verschwand.
15 Sekunden später: In Jeans Kabine erlosch das Licht, die Ventilationsanlage
fiel aus, der Ghettoblaster schwieg. Zufrieden setzte sich Marco wieder über
seine Pläne des Geländes von Hiorakon. Die Tür flog auf, Jean
stand darin. Sie schlug das schwere Schott mit einer Gewalt zu, dass es krachte,
ging drei Schritte, bis sie vor Theille stand und stemmte die Arme in die Seiten.
Marco grinste sie kalt an und sagte in lässigem Tonfall:
»Dein Zorn kleidet dich vorzüglich. Möchtest du nicht Platz nehmen?
Was darf ich dir anbieten?«
»Was denkst du dir eigentlich, notgelandeter Fremdplanetarier ... ?«,
begann Jean lautstark.
Das Gellen der Sirene, die in
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