Das zweite Imperium der Menschheit
den Ohren schmerzte, riss die Streitenden auseinander.
»Alarm«, rief Marco und stürzte an Jean vorbei, sie an der Hand
fassend. »Hinauf in die Kanzel!«
Die junge Frau riss sich los und lief hinter ihm her. Mit drei Sätzen hatten
sie das Anschlussstück zur Treppe erreicht, sprangen über mehrere
Stufen hinweg und jagten hoch, rissen die Schotttür zur Kanzel auf und
standen atemlos hinter Cerac, der ruhig in seinem Pilotensessel hockte und ihnen
entgegensah. Hinter ihnen brachen Beaufort, Capelt und Ho herein. Bill hatte
seinen schweren Laser in der Hand.
»Was ist los?«, schrie er heiser. Cerac schwang herum. Seine Gesten
waren sparsam und abgemessen, aber von geradezu herausfordernder Lässigkeit.
Er fragte scheinbar gelangweilt:
»Wer hat im Mitteldeck eine Sicherung herausgedreht oder einen Kurzschluss
herbeigeführt?«
»Der Subavatar«, sagte Theille ruhig. »Auf meine Bitte hin.«
Cerac schob sich tiefer in den Sessel hinein und blickte den Wissenschaftler
an. Fast tonlos fragte er dann: »Warum?«
Jean mischte sich ein. Sie warf blitzschnell einen Seitenblick auf Marco, dessen
Gesicht die Farbe seines Haares angenommen hatte, und erklärte kalt:
»Marco hielt es für angebracht, weil ich nach seiner Meinung Musik
zu laut spielte. Ich leide unter Headphone-Allergie.«
Cerac stand auf und bedeutete Camdon, der hinter allen stand, dass nichts Wichtiges
vorgefallen sei. Der Maat verschwand sofort wieder, Niemand drehte sich um.
Serai lehnte sich lässig an die Wand. »Passt einmal auf, ihr Wissenschaftler.«
An der Betonung gemessen, klang das letzte Wort wie eine Beleidigung. »Ich
dachte, ihr könntet euch soweit zusammenreißen, dass euch der Raumkoller
verschont. Den Nächsten, den ich bei solchem Blödsinn erwische, sperre
ich in den Laderaum. Ist das verstanden worden?«
Sie verstanden. Jedenfalls erreichte Theille, dass Jean ihre Musik nicht lauter
spielte, als es die Isolierung der Kabinenwände vertrug. Sie waren noch
vier Mal vierundzwanzig Stunden von Hiorakons Sonne entfernt.
Irgendetwas im Schiff begann sich nun zu verändern. Sie hatten nicht mehr
das ununterbrochene Summen des Antriebs in den Ohren. Cerac verminderte die
Geschwindigkeit, um sich der Sonne Falcis so weit nähern zu können,
dass er während der Fahrt die Bahnberechnungen machen konnte. Vor ihnen
wuchs die Sonne. Sie besaß die Strahlenintensität der irdischen Sonne,
aber die Strahlungsbreite war anders gelagert. Teile des Spektrums, die von
der Lufthülle Terras absorbiert wurden, schlugen bis auf den Boden Hiorakons
durch, andere wieder waren schwächer – das so genannte optische Fenster
der Atmosphäre war breiter.
Cerac begann, Tasten zu drücken und mit der SANHERIB zu diskutieren. Eine
der vielen Holoprojektionen über seinem Sitz wurde aktiv. Der Masseorter
fuhr aus der Schiffshülle aus; seine Antenne schwang träge im Kreis
herum.
Das Schiff zog der Sonne entgegen. Die Hälfte der Kanzel lag im Einfallswinkel
der gelben Strahlen. Jeder Lackspritzer der Kabinenwand zeigte sich in den schrägen
Strahlen. Niemand sagte etwas. Der Sucher kreiste. Nach drei unerträglich
langen Minuten fasste er. Gleichzeitig mit der Beobachtung gerieten sie mit
der SANHERIB in den Schlagschatten des Planeten. Sie beobachteten eine Sonnenfinsternis.
Beaufort hustete nervös. Vor der angefressenen Sonnenscheibe, deren unteres
Drittel von der Krümmung des Planeten verdeckt wurde, huschte ein blitzender
Schatten hervor und kreuzte den Schirm. Wieder rastete die Automatik ein. Der
Schirm folgte dem Objekt.
»Ein Schiff, in voller Fahrt!«, sagte die Schiffsstimme aus versteckten
Lautsprechern. Sie erkannten, dass der Körper sich vor einem Schweif ionisierten
Gases befand und konnten auf die beträchtliche Geschwindigkeit schließen.
Lautlos veränderte ein Holo seine Farben, Symbole, Kennlinien und Zifferngruppen;
Daten über Geschwindigkeit, Abstand und Richtung des Fremden. Serai setzte
sich ans Funkgerät. Das fremde Schiff richtete seine Nase auf die SANHERIB
und beschleunigte. Die Spannung wuchs ins Unerträgliche. Beaufort zog sich
den rechten Handschuh an und beobachtete unausgesetzt den Schirm. Er sagte:
»Sie kommen näher und wollen anscheinend Kontakt. Rufen wir sie an?«
»Selbstverständlich«, antwortete Cerac dem Psychologen, nickte
dem Eurasier zu und ließ gleichzeitig die Maschinen wieder an. Die SANHERIB
Weitere Kostenlose Bücher