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Das zweite Imperium der Menschheit

Das zweite Imperium der Menschheit

Titel: Das zweite Imperium der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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unfassbaren
Erlebnisse innerhalb und außerhalb des Schiffes verfasst.
    Oliver Sevenaer der Erste und seine Männer hatten das Wohlwollen der »Stählernen
Mondblume« gewonnen, nachdem sie – unter anderem – die Sage des
Prometheus zitiert hatten, von dem die Menschheit das Feuer erhalten und der
mit täglich frisch zerfleischter Leber im Kaukasus angekettet worden war.
ENIGMA, die unzählige Jahrhunderte der Entwicklung des Sonnensystems miterlebt
und eine wahrhaft kosmische Datenmenge gespeichert und den nahezu gleichzeitigen
Zugriff darauf nie verloren hatte, erwachte aus abgrundtiefer Gelangweiltheit
und zeigte sich den »Eindringlingen« als »Persona«.
    In der scheinbar leeren Zentrale erschien, als erster Vertreter der ausgestorbenen
ehemaligen Besatzung ein holografischer Avatar von derart perfekter Gestaltung,
dass sie alle glaubten, ein lebendes Wesen vor sich zu haben. Der folgende Dialog
wurde, da kein Aufnahmegerät eingeschaltet war, aus der Erinnerung (der
menschlichen Ur-Crew) rekonstruiert:
    »Ihr könnt mit mir in etwa fünfzig irdischen Sprachen reden.
Wir suchen Aufgaben, die fernab aller kriegerischen Aktivitäten liegen.
Wir helfen euch, wo wir können. Nennt uns Ziele, und sagt mir zuerst, ob
meine Gestalt eurem Begriff von ENIGMA entspricht ...«
    (Stimmengewirr. Ein Dutzend hastige Antworten. Kurze und längere Sätze.
Ausrufe. Satzfetzen. Erleichtertes und verwundertes Lachen.) Seveanaer; heiser,
dennoch mühsam gefasst:
    »Soll es heißen, ihr – du, das Schiff, ENIGMA, was auch immer,
langweilst dich, seid unausgelastet, sucht nach einer neuen Aufgabe?«
    »Deine überstrukturierte, von emphatischer Verwirrtheit gekennzeichnete
Definition ist grundsätzlich richtig ...«
    »Um einigermaßen richtig argumentieren zu können«, hatte
Sevenaer herausgebracht und dabei die knapp zwei Meter große Gestalt mit
den Augen verschlungen, »fehlen uns Zeit und Erkenntnisse. Aber sei gewiss:
Wir sind Forscher und Raumfahrer, getragen von zwei Jahrhunderten brennender
Neugierde. Wir sind keine Krieger. Ich denke, es gibt viel zu reden ...«
    Der Avatar lächelte wie ein wirklicher Mensch und antwortete:
    »Fangen wir an. Wir verfügen über fast uneingeschränkt viel
Zeit.«
    »Wir nicht, ENIGMA. Unsere Lebensspanne ist bedauernswert kurz, verglichen
mit deinen Jahrhunderttausenden.«
    Erst nach Stunden aktivierte ein Teammitglied seinen biopositronischen Recorder,
und ab diesem Zeitpunkt konnten klügere Geister Terras sich mit dem Inhalt
des erstaunlichsten Dialogs beschäftigen, der je begonnen und bis zum Beginn
des Ersten Imperiums geführt wurde. Einige fragten sich, wie hoch der Preis
für dieses Geschenk aus der fernen Tiefe der Vergangenheit sein würde.«
     
    Gillard fand alles in mustergültiger Ordnung vor. Er besuchte die isolierten
Laderäume, sah die schlafenden Siedler, ihre karge Ausrüstung in den
Containern der Laderäume, und fuhr dann in den Kern, zur Pilotenkanzel.
Er schaltete die Geräte ein und prüfte die Ausschläge der Zeiger
und das Funktionieren des Ortegageräts. Er holte den Chip aus der Tasche,
versenkte ihn in eine Kommunikationseinrichtung und ließ die Beleuchtung
aufflammen. Die Route des Schiffes – vorausberechnet von den großen
Robotgeräten in Terra Center – lief quer durch den gewaltigen Hohlraum
der projizierten Galaxis. Er sah die Knotenpunkte, an denen die Hyperraumsprünge
angesetzt werden mussten.
    Er unterhielt sich eine Stunde lang mit dem pharaonischen Avatar des 100-Meter-Schiffes,
bewunderte dessen goldene Sandalen und den schillernden Schmuck des Pektorals
und drückte danach den Knopf des Kommunikators. Die winzige Scheibe zeigte
das schwitzende Gesicht des Maats.
    »Camdon, ich lege mich jetzt hin. Können Sie mich um vier Uhr wecken?«
    Der Maat nickte. Schweigend verfolgte die Sanherib-Projektion alle Handlungen
des Kapitäns.
    »Sie werden wach, verlassen Sie sich drauf, Captain. Ich komme hinüber.«
    Die ENIGMA-Einheiten und deren innere Struktur waren von der Aufteilung großer
irdischer Seeschiffe oder allem utopischen Vorstellungen von Sternenschiffen
so verschieden, dass in der Ausbildung qualifizierter Raumfahrer viele Sektoren
der Schiffe nachgebaut und ins Programm der Simulatoren integriert worden waren;
seit dem Beginn des Ersten Imperiums. In einer Kugel galten andere Bezüge
als in einem langen, schlanken Schiff oder einer

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