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Das zweite Imperium der Menschheit

Das zweite Imperium der Menschheit

Titel: Das zweite Imperium der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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löste
Cerac-ENIGMA die Traktorstrahlen, und das Schiff sprang den Himmel an. Es wurde
schneller, kreuzte die ersten Sonnenstrahlen und verschwand als heller Blitz
vor den Augen der Zuschauer. Es durchstieß die Lufthülle und tauchte
ein in die Dunkelheit des Raumes, die sich jetzt für Monate nicht mehr
verändern würde.
     
    Nach zwei Tagen: Jean Andreatta begann zu frösteln, sobald sie aus
dem (virtuellen holografischen) Bullauge der Steuerkanzel hinaussah. Sie verbarg
es, so wie sie alle Gefühlsregungen verbarg. Nichts hasste sie mehr, als
sich eingestehen zu müssen, nicht über irgendeine Sache maßlos
erhaben zu sein. Cerac blickte von seinem Pult aus vorbei an ihrem Kopf mit
dem dunkelbraunen, kurz gehaltenen Haar. Für ihn, der sich bedingungslos
der Sternenfahrt verschrieben hatte, gab es nichts Schöneres und zugleich
Packenderes als diesen Blick. Er liebte die Sterne so, wie sie sich dem ehrfürchtig
Staunenden ohne Instrumente Spektralgeräte zeigten. Das Schiff raste mit
einer Geschwindigkeit knapp unter der des optisch erfassbaren Lichtes der Grenze
des Zweiten Imperiums entgegen. Nun war diese Grenze nicht das Ende der Ausdehnung
des Homo sapiens, dem man das Adjektiv »imperialis« angehängt
hatte, aber sie war die Besitzgrenze des Reiches. Kolonien und Siedlungen gab
es auch noch weiter draußen.
    Jean drehte sich um und bemerkte den versunkenen Blick des Kapitäns. Er
war nicht mehr der kühle Sternenfahrer, sondern ein Fanatiker, der sich
bemühte, hinter Geheimnisse zu kommen, an denen Generationen herumgerätselt
hatten. Die gezielte Infektion mit dem Virus auf dem Planeten Khorsabad hatte
zwar den Wissenschaftlern den Blick und das Verständnis für das Wie geöffnet und für die Theorie, aber das Warum kannten sie
auch nur in mikroskopisch kleinen Bruchstücken.
    Marco hockte zusammen mit Beaufort, der ständig seine dekorativen Handschuhe
mit sich herumtrug, vor den Rohren des Geschützes. Sie befanden sich in
einer hermetisch verschließbaren Kugel, die sich aus der Fläche des
Schiffes ausfahren ließ. Bill drehte die mit Rillen für Feineinstellung
versehene Linse des Suchers wieder in die Fassung. Er sah hindurch, veränderte
die Parallaxe und klappte zufrieden das Okular darauf. Theille schüttelte
den Kopf. Er murmelte verdrossen:
    »Ich bin voller Verständnis für alles. Aber wozu diese Kanone
und vor allem deine Anwesenheit auf diesem Friedenshort von einem Schiff gut
sein soll – dafür fehlt mir allerdings jenes.«
    Bill grinste ihn an und suchte in seiner Tasche nach Narkoretten. Er fand keine,
Marco bot ihm seine an. Dankend lehnte Bill ab. »Mich schmerzt, dass ich
euch diesen Schmerz bereite – Shakespeare. Aber ich bin tatsächlich
notwendig hier. Genau wie das Geschütz.«
    »So?«
    Die seltsam riechenden Nebel, die Marcos Narkoretten entstiegen, reizten Beaufort
zum Husten; er rief mürrisch: »Warum müsst ihr Comaer dieses
Kraut rauchen? Fürchterlich!« Er vollführte eine Geste des Widerwillens.
»Seit einigen Jahren werden immer hier im Randbezirk Schiffe überfallen,
geentert und ausgeraubt. Teils sind es Piraten, teils aber auch diese unbekannten
Fremden, mit denen sie sich herumschlugen. Da eine Kanone billiger ist
als ein Schiff plus Ladung, ENIGMA die Selbstverteidigung gestattet und die
Waffenmeister außerdem Arbeit brauchen, sind wir beide hier. Leuchtet
das ein?«
    »Sicher! Ich bin überzeugt, dass du nicht ein einziges Mal schießen
musst. Wart’s ab.«
    »So ist’s, ehrwürdiger Herr! Ich werde warten, aber – wer weiß?«
    »Und die Raumgarde?«
    »Sie hat kaum schnellere Schiffe als die SANHERIB. Aber auf diese Entfernungen
sind sie nicht schlagkräftig genug. Sie sind da, natürlich, aber bis
dahin haben sie die Spuren verloren. Und die Schießerei ist kein leichtes
Geschäft. Aus diesem Grunde gibt es unsere Gilde.«
    Der Gong, mit dem die Messe zum Essen rief, bereitete ihrer Unterhaltung ein
Ende.
    In seiner Kabine hockte Serai Ho an einer komplizierten Zeichnung. Er verfolgte
den Weg einer Mutation, die sich durch etliche Generationen vererbte. Sein Rechengerät,
das mit dem unfassbar leistungsfähigen Bordgerät korrespondierte,
tickte. Es rechnete die Faktoren aus, die durch fremde Einflüsse neu in
dieses Spiel kamen. Hier stritt der Wissenschaftler mit Jean herum, die intuitiv
gegenteiliger Ansicht war und ihn von der Unsinnigkeit

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