Das zweite Imperium der Menschheit
Nahrung für die
kommenden Tage herbeizuschaffen. Homo sapiens imperialis hatte begonnen, auf
einem der Grenzplaneten Fuß zu fassen. Die Marksteine wurden gemeißelt.
Würden sie aufgestellt werden können?
In ihrer Kabine zerbrach sich Jean den Kopf. Serai hockte neben ihr an dem kleinen
Tisch.
»Ich weiß nicht, aber irgendetwas stimmt nicht. Entweder lügt
Planetary Information Center, oder wir haben Halluzinationen. Als Trost würde
ich gern die erste Möglichkeit vorschlagen.«
»Wie kommst du darauf? Ich verstehe nicht!«, murmelte Serai nachdenklich.
Jeans Gesicht zeigte einen gequälten Ausdruck. Sie kam schließlich
von Khorsabad, und ihr Verstand funktionierte besser und schneller. Dieses Problem
bedrückte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte. Serai stutzte. Sie
war Wissenschaftlerin, von der gleichen Unbedingtheit wie ihr Vater, der berühmte
Jorge Andreatta aus der Gruppe Viper.
»Der Schädel unseres Fundes hatte einen Mangel, den er nicht haben
dürfte.«
»Welchen?«, fragte Serai.
»Die Öffnung, die sich normalerweise bei jedem Schädel eines
höher entwickelten Lebewesens befindet und die den Raum des inneren Ohres
mit dem Hirn verbindet, fehlte.«
Serai dachte nach. Vor seinem inneren Auge entstanden die unvergleichlich komplizierten
Gehörgänge, die Aussparungen im Hirnbein, die das Gleichgewichtsorgan
beherbergten, und die Nerven, die aktiviert wurden. Er wusste: Dieses Tier war
taub geboren worden.
»Aber es hätte gar nicht leben können, denn der Hörnerv
zum Hirn ist mit dem Gleichgewichtsorgan gekoppelt. Kannst du dir einen Säuger
vorstellen, der jahrelang auf Nahrungssuche geht und dem jegliches Orientierungsvermögen
fehlt?«
»Schlecht. Aber ich suche nach der dritten Möglichkeit. Wie ist dies
möglich? Er lief herum, fand Nahrung und lebte jahrelang. Dann erschlug
ihn ein fallender Baum. Hätte er ihn gehört, wäre er ausgewichen
Hier auf Hiorakon war etwas im Gange. Aber was?«
Sie hatte damit begonnen, in der Kabine herumzulaufen. Hier waren komplizierte
Lebensbedingungen – sie konnten nicht zulassen, dass es einen Organismus
gab, der den Reiz von Schall und die Orientierung im Raum ignorieren konnte.
Aber dieses Tier hatte gelebt und war durch den Wald gestreift, hatte Nahrung
gefunden, hatte gekämpft, als ob es diese Organe zur Verfügung gehabt
hätte. Was bedeutete das alles?
Was ging zwischen der Landung des ersten Forschungsschiffs und der Besiedlung
auf Hiorakon vor? Würfen sie es erfahren? Oder starb die Kolonie, bevor
sie geboren wurde?
Jean zuckte die Schultern und machte sich wieder an die Arbeit. Sie war vor
drei Stunden aus dem Wald zurückgekommen und hatte dann den Film entwickelt.
Die Aufnahmen zeigten das gleiche – das Loch für den Hörnerv
fehlte völlig.
6.
CHRONIST: Oliver Sevenaer XXXI:
GESCHICHTE DES II. IMPERIUMS
Robot-Handschriftliches Original,
dazu die Logbücher der SANHERIB und der PHARAO III (Auszüge)
Auszug I: Der Wechsel der Lichtintensität Bei veränderlichen Sternen
des Typs Negeb ist unregelmäßig. Er schwankt zwischen einhundertdrei
und dreitausendvierhundertzehn Imperiumstagen. Prototyp ist der Stern Negeb
im System Beta pavonis ...
... eine befriedigende Theorie der Negebsterne gibt es bis zurzeit noch nicht ...
... haben normalerweise eine konstante Helligkeit, die in gewissen Abständen
durch plötzlich eintretende Ausbrüche abgelöst wird. Temperatur
und Partikelabstrahlung des Sternes nehmen in einer kontinuierlichen Kurve zu.
Auszug II: Die ENIGMA-Raumschiffe, eigentlich die Beiboote jener riesigen
Kugel, sind bekanntlich völlig autark arbeitende Einheiten. Es würde
eine Zielangabe genügen, und ein Schiff vom SANHERIB-Typ (identisch, soweit
bekannt, mit allen anderen Beibooten) startet, fliegt und landet selbständig.
Aber da keine menschliche Besatzung sich selbst während kurzer und unter
keinen Umständen während langer Reisen untätig, passiv und fasziniert
in den hochkomfortablen zu langweilen riskiert, schuf ENIGMA dafür sog. »orthodoxe Raumschiffseinrichtungen«: Funkpulte, Steuerkonsolen, Kommunikationsanlagen,
archaische Bildschirme, Holoprojektoren und ähnliches. Wie weit ein ausgebildeter
menschlicher Kapitän ein solches Schiff wirklich selbst steuert, kann nicht
genau ermittelt werden. Wohlwollende Skeptiker sind überzeugt, dass ENIGMA-Einheiten
trotz der
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