Das Zweite Imperium
Rückschlägen zu tun hatten, haben unsere Agenten keine Fortschritte erzielt.
Was meine Schlußfolgerungen angeht, so muß ich Ihnen auch hier eine negative Antwort geben. Bisher hat sich offenbar jeder boskonische Psychologe, der sich an eine Beurteilung der Situation wagte, ernsthaft geirrt.«
»Und nur Sie haben recht?« höhnte Alcon. »Warum?«
»Ich habe nur insofern recht, als ich zugebe, keine gültigen Schlußfolgerungen ziehen zu können«, erwiderte Kandron leise. »Die vorhandenen Informationen sind einfach zu mager und zu widersprüchlich, als daß man damit arbeiten könnte. Es besteht die Möglichkeit, daß insbesondere zwei Lens-Träger für die negativen Ereignisse verantwortlich sind. Bei einem der beiden – dem schwächeren – handelt es sich
möglicherweise
um einen Erdenmenschen oder einen Aldebaranier, während der Stärkere der beiden anscheinend völlig unbekannt ist und sich nur durch seine Taten zu erkennen gibt.«
»Star A!« erklärte Alcon.
»Nennen Sie ihn, wie Sie wollen«, erwiderte Kandron tonlos. »Auf jeden Fall arbeitet Star A in vorderster Front. Die Theorie, daß er der Leiter aller Lens-Träger ist, kann nicht stimmen.«
»Aber diese Information stammt von Lens-Träger Morgan«, wandte Alcon ein. »Er wurde mit Hilfe der Wahrheitsdroge befragt und gefoltert und fast umgebracht.«
»Woher wollen Sie das wissen?« fragte Kandron unbewegt. »Sie kennen diese Dinge nur aus einem Bericht der Overlords und aus der sehr zweifelhaften Aussage eines Eich, der der entscheidenden Szene nicht einmal beigewohnt hat.«
»Sie nehmen also an, daß ...«, fragte Alcon verblüfft.
»Allerdings«, erwiderte der Psychologe nüchtern. »Ich nehme an, daß wir es mit einem Geist zu tun haben, der nach seinen Fähigkeiten nur wenig unter dem meinen einzustufen ist. Ein Geist, der in der Lage ist, einen Overlord zu bezwingen und der, zumindest kurzfristig, einen unserer zugegebenermaßen tüchtigen Eich täuschen kann. Ich vermute, daß Lens-Träger Morgan, wenn er überhaupt existiert hat, nichts als eine Attrappe gewesen ist. Die Eich haben ihn falsch eingeschätzt. Es ist daher nicht auszuschließen, daß er vielleicht gar nicht wirklich existiert hat ...«
»Das ist doch lächerlich!« schnappte Alcon. »Bei den zahlreichen boskonischen Zeugen? Er hat sogar eine Hand und seine Lens zurückgelassen!«
»Ich gebe zu, daß es sich unwahrscheinlich anhört – aber ausschließen können wir es nicht«, beharrte Kandron auf seinem Standpunkt. »Wenn wir einmal davon ausgehen, daß er wirklich existiert hat und eine Hand verloren hat – von der wir übrigens auch nicht wissen, ob sie nicht zur Täuschung mitgebracht wurde und ob die Lens überhaupt zu ihr paßt –, nehmen wir das alles einmal an, dann glaube ich trotzdem noch, daß Lens-Träger Morgan nicht gefoltert worden ist und daß er und der Unbekannte praktisch unverletzt in ihre Galaxis zurückgekehrt sind. Und sie sind nicht nur heil und gesund wieder abgereist, sondern sie haben auch die Informationen mitgenommen, die der Patrouille später die Vernichtung Jarnevons ermöglichten.«
»Unsinn!« schnaubte Alcon. »Sagen Sie mir, auf welche Tatsachen Sie Ihre phantastischen Ansichten stützen, wenn Sie überhaupt dazu in der Lage sind!«
»Gern«, erwiderte Kandron. »Wie ich schon sagte, bringen uns meine Schlußfolgerungen nicht weiter, aber vielleicht gelingt es uns gemeinsam, den Faden weiterzuspinnen. Ich werde zunächst die wichtigsten Daten noch einmal zusammenfassen.
Wie Sie wissen, hatte Boskone jahrelang ungewöhnliche Fortschritte zu verzeichnen. Wir erlitten den ersten Rückschlag, als es einem von Menschen und Valerianern bemannten irdischen Kriegsschiff gelang, eines der modernsten und stärksten Schiffe unserer Flotte zu kapern. Später entkam ein Erdenmensch in einem unserer Schiffe, das als schwer beschädigt galt. Dieser Lens-Träger, der von Helmuth als ›der‹ Lens-Träger bezeichnet wurde, entzog sich allen Verfolgern, ging nach Velantia und brachte dort sechs boskonische Schiffe in seine Gewalt, Schiffe, die ihn aufspüren und gefangennehmen sollten. Mit diesen Schiffen erkämpfte er sich trotz aller Bemühungen Helmuths den Rückweg zur Erde.
Dann muß ich die beiden Episoden von Aldebaran II erwähnen. In der ersten wurde ein irdischer Lens-Träger von den Radwesen gefangengenommen, verwundet und möglicherweise getötet. Das zweite Ereignis umfaßt die restlose Vernichtung unseres Stützpunktes. Es
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