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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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das aushalten würde.«
    »Dann schwöre ich dir, daß es nicht passiert.«
    Sie gab einen eigentümlichen Laut von sich, halb ein Lachen, halb einSchluchzen. »Sei lieber vorsichtig. Gerade du hättest den meisten Grund, dich von mir abzuwenden.«
    »Wir sind nicht mehr so viele, daß wir uns den Luxus erlauben könnten, uns voneinander abzuwenden, Hyld. Spann mich nicht auf die Folter. Raus damit. Wer ist Olafs Vater?«
    Sie zauderte noch einen Moment, dann trat sie auf das breite Bett zu und zog den Vorhang zurück. Cædmon folgte und sah über ihre Schulter in ein Paar rauchgrauer Augen, ein unnatürlich bleiches, bartloses Gesicht, umgeben von wirren schwarzen Haaren.
    Hyld hatte recht gehabt, mußte er feststellen, er war wirklich schockiert. Aber er hatte ihr sein Wort gegeben. Also ließ er es sich nicht anmerken.
    »Erik, der Pirat, sieh an«, sagte er leise.
    Erik zeigte den Anflug seines Piratenlächelns.
    Cædmons Mundwinkel zuckte, und er wandte sich an seine Schwester. »Ja, ich kann mir vorstellen, daß das einigen Wirbel verursacht hat.« »Du … du bist nicht böse?« fragte Hyld ungläubig.
    »Nein. Ein bißchen befremdet. Aber nicht böse.«
    »Warum nicht?«
    Er dachte einen Augenblick nach. »Ich bin nicht sicher. Vielleicht, weil ich selbst zwei Jahre ein Gefangener in der Fremde war. Das führt zwangsläufig dazu, daß man die Dinge mit anderen Augen betrachtet. Und mit Distanz.«
    »Oh, Cædmon …« Hyld senkte den Kopf und drückte die Lippen auf die Stirn ihres Sohnes. »Du kannst nicht ermessen, wie erleichtert ich bin. Vater … er hat sich von mir losgesagt, weißt du. Und Mutter hat mir durch Eadwig ausrichten lassen, ich müsse fortgehen, sobald Erik gesund ist. Weil ich keinen Platz mehr in dieser Familie hätte.«
    »Nun, Vater hat seine Meinung geändert. Beinah seine letzten Worte galten dir. Ich solle dich suchen und mich vergewissern, daß es dir gutgeht. Und jetzt bin ich das Oberhaupt dieser Familie …« Er konnte kaum glauben, was er da sagte. Nach einem fast unmerklichen Zögern fuhr er fort: »Und ihr könnt hierbleiben, solange ihr es wünscht, denn hier ist dein Zuhause.«
    Hyld sah ihn sprachlos an.
    Cædmon legte seine Hand kurz auf ihre. »Geh nach draußen zu Mutter, wenn du dich dazu überwinden kannst, Hyld. Ich bin sicher, es wäre gut für euch beide.«
    Sie nickte und trat zur Tür.
    Cædmon wartete, bis er mit Erik allein war, ehe er ihn wieder ansah. »Und? Was hast du zu sagen?«
    »Nicht viel«, erwiderte Erik leise. »Deine Schwester hat mir verboten zu sprechen, und sie wird fuchsteufelswild, wenn ich nicht gehorche.« »Was ist passiert?«
    »Ein Pfeil in die Brust. Bei Stamford Bridge. Als alles schon verloren war, der König und Tostig Godwinson beide gefallen und …« Er hustete schwach.
    »Ich glaube, Hyld hat recht. Red lieber nicht weiter.«
    Aber Erik hob eine seiner großen, schmalen Hände und winkte ab. »Sie hat mich gefunden. Nachts das Schlachtfeld abgesucht, in einem Arm das Kind, in der anderen Hand eine Fackel.«
    Cædmon schauderte unwillkürlich. Er wußte, was Hyld gesehen hatte. »Eine sehr mutige Frau, meine Schwester.«
    »Verlaß dich drauf. Ich kann mich an nichts davon erinnern, ich war mehr tot als lebendig. Der Pfeil steckte in der Lunge. Und sie hat den englischen Truppen einen Karren geklaut und mich hergebracht. Deine Mutter hat den Pfeil rausgeholt.«
    Cædmon schüttelte verwundert den Kopf. Er hätte gerne mehr über Stamford Bridge erfahren. Vor allem hätte er gerne gewußt, was Erik auf der norwegischen Seite zu suchen gehabt hatte. Aber das konnte alles warten. Es war nicht schwer zu erkennen, daß der Mann seiner Schwester immer noch sehr krank war.
    »Cædmon …«
    »Sei jetzt lieber still.«
    Erik verzog ungeduldig das Gesicht. »Ich warte seit über zwei Jahren auf eine Gelegenheit, dir das zu sagen. Es ist nur ein Satz: Ich bedaure, daß ich auf dich geschossen habe.«
    Cædmon wandte den Kopf ab und rieb sich das Kinn an der Schulter. Das Thema bereitete ihm immer noch Unbehagen. Dann gab er sich einen Ruck und erwiderte offen: »Ich glaube nicht, daß ich dir hätte verzeihen können, wenn das Bein taub geblieben wäre. Doch wir haben beide Glück gehabt, weißt du. Es ist geheilt, und du schuldest mir nichts.«
    »Aber wärst du kein Krüppel gewesen, hätte dein Vater dich nicht weggeschickt.«
    Cædmon überraschte sich selbst, als er sagte: »Dann hätte ich vieleDinge nie gelernt, die ich heute weiß,

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