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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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hierher aufgebrochen.«
    Cædmon sann über diese Neuigkeiten nach, und als sie zur Halle zurückkamen, wandte er sich an seine Mutter: »Denkst du nicht auch, es wird Zeit, daß wir uns alle zusammensetzen und Pläne machen?«
    Sie nickte zögernd. »Du hast recht.«
    »Dann sollten wir dorthin gehen, wo wir ungestört sind und wo Erik uns hört.«
    Er trat auf die Tür zur Schlafkammer zu. Hyld schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
    Marie hob das Kinn. »Ich wüßte nicht, was unsere Pläne diesen Fremden und seine Familie angingen.«
    Cædmon erwiderte ihren Blick und versuchte, das richtige Mittelmaß zwischen Respekt und Autorität zu finden. Es war eine eigentümliche, ungewohnte Situation, die vermutlich nicht nur ihm Unbehagen bereitete. »Bitte, Mutter«, sagte er leise. »Vater hat mir Hyld ebenso anvertraut wie dich und Eadwig. Wenn er ihr verzeihen konnte, kannst du es nicht auch?«
    Ohne ein weiteres Wort trat sie ein. Cædmon ließ ihr höflich den Vortritt. Kaum hatte er die Tür geschlossen, wandte sie sich an ihn und sagte: »Eins wollen wir klarstellen, Cædmon: Nach dem Tod deines Vaters und deines Bruders bin ich das Oberhaupt dieser Familie, bis du alt genug bist, diese Verantwortung zu tragen. Und bis zu dem Tag wirst du tun, worum ich dich bitte, nicht umgekehrt.«
    Er spürte einen heftigen Drang, zu rebellieren, aber er konnte nicht. Er war regelrecht gefesselt von den guten Manieren, die sie ihm in Rouen beigebracht hatten, mußte er feststellen.
    Er verneigte sich knapp. »Selbstverständlich werde ich tun, worum du mich bittest. Und natürlich bist du das Oberhaupt dieser Familie und wirst über Halle, Hof und Helmsby bestimmen, schon allein weil ich gar nicht hier sein werde.«
    »Was soll das heißen?« fragte sie stirnrunzelnd.
    »Spätestens am zweiten Advent muß ich mich dem Herzog wieder anschließen. Er marschiert auf London, und er meint, er braucht mich für den Fall, daß irgendwer nicht auf Anhieb versteht, was er mit seinem Schwert zu sagen versucht«, antwortete er bitter.
    Marie schüttelte entschieden den Kopf. »Er wird auf dich verzichten müssen, denn ich erlaube es nicht.«
    Cædmon atmete tief durch. Er hatte mit allerhand gerechnet, er hatte sich vor Stürmen und Tränen und Verzweiflung gefürchtet, aber daß ein Machtkampf zwischen ihm und seiner Mutter ausbrechen könnte, kaum daß sein Vater unter der Erde war, traf ihn unvorbereitet.
    »Ich fürchte, dann werde ich ohne deine Erlaubnis gehen müssen …« »Was fällt dir ein, Cædmon!«
    »Mir bleibt keine andere Wahl«, versuchte er zu erklären. »Ich …« »Ich werde das auf keinen Fall zulassen!«
    »Hättest du wohl die Güte, mich nicht ständig zu unterbrechen?«
    Er hatte seine Stimme nicht erhoben, aber alle starrten ihn entgeistert an. So hatten sie ihn noch nie reden hören. Nicht nur die normannischen Schwerter sind scharf, dachte Guthric beinah amüsiert.
    Cædmon nutzte die verwunderte Stille, um ebenso leise fortzufahren: »Ihr müßt euch vor allem darüber im klaren sein, daß nichts mehr so sein wird, wie es früher war. William von der Normandie hat nicht nur eine Schlacht gewonnen, sondern England erobert. Mag sein, daß er hier und da noch auf Widerstand stößt, aber er wird ihn brechen. Der englische Adel ist so gut wie ausgelöscht. Wer nicht bei Hastings gefallen ist, den hat es vorher in Stamford Bridge erwischt.« Er unterbrach sich kurz und wechselte beinah gegen seinen Willen einen Blick mit Erik, der halb aufgerichtet im Bett lag und jedes Wort verfolgte. Erik nickte nachdrücklich.
    »Jeder Mann, der bei Hastings gegen William gefochten hat, wird enteignet«, fuhr Cædmon fort. »Das gilt für die Toten ebenso wie für die Überlebenden. Wir werden unser Land verlieren, das Dach über unseren Köpfen, wir werden Bettler sein. Es sei denn, ich trete am zweiten Adventssonntag meinen Dienst als Williams Ohr und Williams Mund an. So sieht es aus.«
    Marie sank auf die Truhe neben dem Fenster, als könne sie plötzlich ihren Beinen nicht mehr trauen. »Das kann er nicht tun. Das würde er niemals tun. Ich bin Normannin!«
    »Er würde es tun, sei versichert. Er hat es mir gesagt, und er hält immer Wort. Abgesehen davon, hätte zufällig einer seiner Brüder auf der anderen Seite gestanden, würde er auch den enteignen und an den Bettelstand bringen. Ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn du das nicht weißt, kennst du ihn nicht.«
    »Ich kannte ihn schon, lange bevor du zur Welt kamst«,

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