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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Aber es war ihm zutiefst zuwider, wenn seinetwegen alle langsam ritten. Ebenso war ihm zuwider, wie betont fröhlich selbst die bärbeißigsten der Housecarls neuerdings mit ihm redeten, wie geflissentlich sie vermieden, sein Bein anzusehen. Nein, Cædmon blieb viel lieber zu Hause. Er saß mit seinen jüngeren Geschwistern im sonnenbeschienenen Hof vor der Halle auf der Wiese. Der Vormittag war still und friedvoll. Im nahen Viehstall stampfte eine Kuh. Eine durchdringende Geruchsmischung aus Stroh und Mist drang aus dem geöffneten Tor. Eine junge Magd kam mit zwei schweren Milcheimern heraus und trug sie zur Halle hinüber. In dem kleinen Wäldchen jenseits der Hecke rief ein Kuckuck.
    Guthric lag lang ausgestreckt auf dem Rücken und sah blinzelnd in den blauen Himmel hinauf. Hyld hatte ihre Spindel mit nach draußen gebracht; genau wie ihre Mutter schien sie unfähig, einfach einmal gar nichts zu tun. Der siebenjährige Eadwig hatte Guthrics Messer stibitzt und zerlegte einen Frosch.
    »Eadwig, muß das sein?« schalt Hyld. »Das ist eklig.«
    Eadwig stückelte unbeirrt weiter und fragte Guthric: »Warum ist Vater mit so großem Gefolge nach Metcombe geritten?«
    »Wenn ein Eid vor dem Gericht einer Hundertschaft rechtskräftig sein soll, muß er vor zwölf Zeugen geleistet werden. Wer klug ist, bringt sich seine Zeugen selber mit.«
    »Was ist eine … Hundertschaft?«
    »Ein Distrikt. Ganz England ist in Grafschaften unterteilt und die Grafschaften in Distrikte, die Hundertschaften heißen.«
    »Northumbria nicht«, widersprach Hyld.
    Guthric schnitt eine Grimasse. »Ich sprach von England. Nicht von dem nördlichen Ödland, wo die Wilden leben.«
    »Und warum heißt eine Hundertschaft eine Hundertschaft?«
    »Weil jeder Distrikt aus etwa einhundert Hufen besteht. Sollte er jedenfalls.«
    Eadwig hielt ein Froschbein gegen das Licht. »Was ist ein Huf?«
    »Nein, nicht ein Huf. Es heißt eine Hufe.«
    »Also? Was ist eine Hufe?«
    Guthric stöhnte. »Sieh her, Eadwig. Siehst du das Loch in meinem Bauch?«
    Eadwig kicherte. »Sag doch.«
    »Eine Hufe ist ein Stück Land. Ein großes Stück Land, ausreichend, um eine große Familie zu ernähren. Früher, als alle Brüder und Vettern und so weiter zusammen einen Hof bewirtschafteten und zusammen in einem Haus lebten, war eine Hufe das Land, das sie zusammen bestellten. Nach der Hufe wird heute noch die Höhe der Steuerpflicht bemessen.« »Und warum wohnen wir nicht mit all unseren Vettern zusammen? Und mit Onkel Athelstan?«
    Guthric und Hyld lachten. »Ja, das wäre herrlich«, meinte Hyld. »Dann wäre es hier sicher niemals langweilig.«
    »Ich weiß es nicht, Eadwig«, antwortete Guthric kopfschüttelnd. »Die Zeiten haben sich einfach geändert. Frag Cædmon, vielleicht kann er dir sagen, wie es gekommen ist.«
    Cædmon zuckte mit den Schultern. »Nein, keine Ahnung.«
    Guthric bedachte ihn mit einem Stirnrunzeln und wandte sich dann wieder an seinen jüngsten Bruder. »Ich denke, jetzt sollten wir darüber reden, daß auch Frösche Geschöpfe Gottes sind, und was denen in der Hölle bevorsteht, die arme, wehrlose kleine Frösche in Stücke hacken.«
    Eadwig sah mit großen Augen zu ihm auf, offenbar nicht sicher, wie ernst Guthric das meinte, aber immerhin ließ er von seinem Opfer ab. »Was denn?« fragte er zögernd, hin und her gerissen zwischen Neugier und Furcht.
    »Nun, ich kann nur raten. Wir müssen Vater Cuthbert fragen. Aber ich könnte mir vorstellen, daß sie von Hunderten kleiner Teufel in Hunderte kleiner Stückchen geschnitten werden. Und dann …«
    »Hör auf, Guthric«, unterbrach Hyld. »Du erschreckst ihn.« Sie strich Eadwig über die blonden Locken.
    Eadwig umfaßte verstohlen den Saum ihres Kleides. »Und was wird mit denen, die in der Sonne rumliegen, statt die leeren Ställe gründlich auszumisten, wie Vater gesagt hat?«
    Guthric grinste in den Himmel. »Selig die Geknechteten, denn sie werden getröstet werden.«
    Dieses Mal lachte sogar Cædmon. »Für einen, den es ins Kloster zieht, bist du ein ziemliches Lästermaul.«
    »Außerdem heißt es: ›Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden‹«, bemerkte Hyld.
    Guthric hob seine schmalen, langfingrigen Hände und wischte die Einwändebeiseite. »Wer weiß, wie es wirklich heißt. Was Vater Cuthbert uns über die Bibel lehrt, ist so verläßlich wie Sonnenschein im April, darauf wette ich.« Dann setzte er sich seufzend auf. »Trotzdem sollte ich mich lieber an die

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