Das zweite Königreich
England nicht betrafen, denn William stand auf gutem Fuße mit Papst Gregor. Er war nicht mehr als Heinrich gewillt, sich bevormunden oder gar bei der Auswahl der Bischöfe Vorschriften machen zu lassen, aber da William die gleichen Reformabsichten verfolgte wie der Papst, gab es keinen Anlaß für Machtproben.
Weit weniger als Guthrics Anwesenheit am weihnachtlichen Hof erfreute Cædmon hingegen die seiner Braut. Beatrice, inzwischen achtzehn, erregte allgemein Aufsehen mit ihrer weißblonden Haarpracht und der kostbaren Garderobe. Die jungen normannischen Adligen überschütteten sie mit Aufmerksamkeiten, allen voran Lucien de Ponthieu. Cædmon gab sich große Mühe, es ihnen gleichzutun, aber der bittere Zug um ihren Mund, der sich neuerdings zeigte, wenn er ihr unter die Augen trat, machte die Dinge nicht leichter.
Am Tag nach der Jahreswende bestellte der König ihn vor dem Essen in seine Privatgemächer und eröffnete unvermittelt: »Cædmon, jetzt ist ein für allemal Schluß.«
»Sire?«
»Am Sonntag nach Ostern werdet Ihr Beatrice Baynard heiraten. Ich bin es satt, mich ständig mit dieser Angelegenheit befassen zu müssen. Ihr habt die Mitgift in geradezu schamloser Weise in die Höhe getrieben und immer neue Ausflüchte gefunden, aber jetzt ist es genug. Am Sonntag nach Ostern. In Winchester.«
»Aber Sire … ich kann nicht.«
William kräuselte die Lippen; es war schwer zu sagen, ob es amüsiert oder verächtlich wirken sollte. »Ah ja. Das ominöse Keuschheitsgelübde. Nun, mir ist offen gestanden gleich, ob Ihr in Eurer Hochzeitsnacht mit Eurer Braut Mühle spielt, aber heiraten werdet Ihr sie auf jeden Fall. Ist das klar?«
Cædmon antwortete nicht sofort. Er hatte sich daran gewöhnt, daß der König über ihn verfügte, ohne je Rücksicht auf seine Wünsche zu nehmen, aber dieses Mal war der Drang zu rebellieren, sich einfach zu verweigern, beinah übermächtig.
»Ich warte, Cædmon«, sagte William bedenklich leise.
Er atmete tief durch. »Am Sonntag nach Ostern, Sire.«
William schenkte ihm ein beinah huldvolles Nicken. »Ihr dürft Euch entfernen, Thane. Baynard wird den Tag der Hochzeit heute abend bekanntgeben, und ich würde es begrüßen, Euch zu diesem Anlaß an der Seite Eurer Braut zu sehen.«
Cædmon verneigte sich wortlos. Er fühlte sich dumpf und hölzern, als er in die Halle zurückging.
Winchester, März 1076
»Und?« fragte Odo gespannt.
Cædmon strich sich die triefenden Haare aus der Stirn und schüttelte bedauernd den Kopf. »Nichts zu machen, fürchte ich. Sie sagt nein.« »Aber …«
Der Bischof wurde unterbrochen, als Richard zu ihnen trat. »Cædmon. Eadwig. Seid ihr in einen Schauer geraten?«
»Ja«, brummte Eadwig, drehte seine langen Locken zu einem Strang zusammen und wrang sie aus. »Von Helmsby bis Winchester ging ein einziger Schauer nieder.«
Der Prinz lachte und machte eine einladende Geste. »Dann kommt ans Feuer, damit ihr trocknet.«
Sie folgten ihm in die Haupthalle, und der Prinz winkte einen Pagen herbei, der ihnen Becher mit heißem Wein brachte. Es war ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit; an den Nordhängen und im Schatten der Wälder lag noch Schnee.
Bischof Odo war ihnen gefolgt. »Cædmon, ich gebe mich mit keinem Nein zufrieden.«
Cædmon legte die eiskalten Finger um seinen Becher und blies behutsam über das kochend heiße Gebräu. »Ich werde es ausrichten, aber ich fürchte, es wird nichts ändern.«
Der Prinz sah mit einem verständnislosen Lächeln von einem zum anderen. »Worum geht es? Wer sagt nein wozu?«
Odo warf Cædmon einen warnenden Blick zu, und es war Eadwig, der antwortete: »Bischof Odo wünscht, daß unsere Schwester eine Stickerei für ihn anfertigt. Es soll ein … kleiner Schmuck für seine Kathedrale in Bayeux werden. Aber sie weigert sich.«
»Oh.« Richard runzelte die Stirn, und Cædmon verbiß sich ein Lächeln, weil wieder einmal so deutlich erkennbar war, was der Prinz dachte: Er fand Hylds Reaktion auf das Ansinnen des Bischofs »unhöflich«.
Richard wandte sich an Odo und hob die Schultern. »England wimmelt nur so von erstklassigen Stickerinnen, Onkel.«
Doch Odo schüttelte entschieden den Kopf. »Ich habe mich umgehört. Keine, von denen man mir berichtet hat, hat je etwas hergestellt, wie ich es mir vorstelle. Auch in Canterbury sagte man mir, Hyld of Helmsby sei die Beste.«
Cædmon trank einen kleinen Schluck und bemerkte: »Es ist kein Wunder, daß Ihr immer die gleiche Antwort
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