Das zweite Königreich
Pergament ist furchtbar teuer, und ich komme nur langsam voran, aber das Jahr der Eroberung habe ich abgeschlossen.« »Das ist großartig, Junge! Ich wußte gar nicht, daß Ihr schreiben könnt.«
Leif war ein wenig verwundert über das unerwartete Interesse des Bischofs, aber er erklärte wahrheitsgemäß: »Wir alle mußten hier lesen lernen, Monseigneur. Vom Lesen zum Schreiben ist es kein großer Schritt.«
»Nein«, stimmte der Bischof zu. »Wenn man erst einmal auf eine so abstruse Idee gekommen ist, nicht. Kommt mit mir, Leif Guthrumson. Ich habe mit Euch zu reden …« Er zog ihn zur Tür, und Leif folgte ihm verblüfft, aber willig.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte Rufus verwundert.
»Dein Onkel hat neuerdings ein großes Interesse an englischer Geschichtsschreibung«, vertraute Eadwig ihm raunend an.
»Ah ja?« Rufus nahm eine geröstete Haselnuß aus einer Messingschale auf dem Tisch, warf sie in die Luft und fing sie geschickt mit dem Mund auf. Dann ergriff er den verwaisten Becher seines Onkels und leerte ihn in einem Zug. »In dem Fall sollte irgendwer ihn darüber aufklären, daß in fünf oder sechs Klöstern im Land eine Chronik vom Anbeginn der angelsächsischen Besiedlung Englands bis zum heutigen Tag geführt wird. Ich nehme doch an, daß er dort alles findet, was er wissen will.« »Du bist gut informiert, Rufus«, bemerkte Cædmon.
Der Prinz grinste breit. »Ob du es glaubst oder nicht, Cædmon, hin und wieder habe ich zugehört, wenn du uns etwas beizubringen versucht hast.«
»Das zerstreut all meine Zweifel am Sinn meines Daseins.«
Rufus seufzte zufrieden. »Da. Schon wieder einen Mann glücklich gemacht. Komm, Eadwig. Sieh dir meinen neuen Gaul an. Du wirst vor Neid erblassen, das sag’ ich dir …« Er zog seinen Freund mit sich zum Ausgang.
Cædmon und Richard blieben allein zurück. »Und was tun wir?« fragte Cædmon.
»Vielleicht wäre es das beste, du ließest den König wissen, daß du angekommen bist. Seit den frühen Morgenstunden wartet eine Abordnung northumbrischer Thanes auf eine Audienz. Sie wollen um Waltheofs Leben bitten, und mein Vater hat gesagt, er werde sie erst empfangen, wenn du hier bist.«
Cædmon seufzte. »Die northumbrischen Thanes haben den ganzen weiten Weg umsonst gemacht. Waltheofs Schicksal ist besiegelt. Ich wünschte weiß Gott, es wäre anders, aber die Beweggründe des Königs sind durchaus nicht von der Hand zu weisen.«
Richard nickte bedrückt. »Aber niemand könnte das den Thanes so schonend beibringen wie du, die barschen Worte des Königs so diplomatisch abmildern. Wer weiß, vielleicht haben wir Glück, und es gibt keine neue Revolte in Northumbria.«
Cædmon betrachtete ihn einen Augenblick nachdenklich. »Du könntest ebensogut für deinen Vater übersetzen wie ich.«
Richard mußte lachen. »Ich? Du meine Güte, Cædmon, er würde mir nicht einmal seinen Falken anvertrauen, geschweige denn seine Staatsgeschäfte.«
»Und das macht dir gar nichts aus?«
Der Prinz dachte einen Moment nach. »Doch.« Er hob mit einem unbeschwerten Lächeln die Schultern. »Aber ich schätze, die undankbare Aufgabe, Williams Mund und Ohr zu sein, überlasse ich viel lieber dir. Abgesehen davon würde es alle Verhandlungen unnötig in die Länge ziehen, wenn ich für ihn übersetzen müßte. Du weißt doch, wie ich stottere, wenn er nur im selben Raum ist.«
Cædmon klopfte ihm grinsend die Schulter. »Deine Stunde kommt auch noch, Richard. Sag, du weißt nicht zufällig, wo Etienne fitz Osbern ist?«
Der Prinz nickte. »Bei Malachias, dem Juden. Oder genauer gesagt, bei dessen Vater. Er will ihn überreden, in Chester eine Filiale seines Handelshauses zu eröffnen. Etienne ist der Meinung, daß sich der Handel in England zu sehr auf den Süden und den Norden konzentriert, und wenn er Sheriff von Cheshire wird, soll sich das ändern.«
Cædmon riß die Augen auf. »Etienne wird Sheriff?«
»Das wußtest du nicht? Und es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn du der nächste wärest. Sobald diese dumme kleine Formalität am übernächsten Sonntag erledigt ist, versteht sich«, fügte er boshaft hinzu. Cædmon hob die Hand; davon wollte er nichts hören. »Nun, ich hoffe, das wird Etienne endlich von dieser albernen Sorge befreien, daß der Groll des Königs gegen seinen Bruder sich auf ihn erstrecken könnte.« »Tja, wenn ich ehrlich sein soll … ich bin keineswegs sicher, ob diese Sorge so unbegründet ist.«
Über Ostern hielt
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