Das zweite Königreich
bekommt, wenn Ihr immer die gleiche Quelle befragt. Ich bin sicher, diese Auskunft stammt von meinem Bruder Guthric.«
Odo verdrehte ungeduldig die Augen. »Ich werde selbst nach Helmsby reiten und mit Eurer Schwester reden.«
Eadwig schnitt verstohlen eine komische Grimasse und murmelte: »Ich fürchte, das wird auch nichts nützen.«
Odo sah ihn finster an, und Richard lachte in sich hinein. Dann wandte er sich an Cædmon. »Und? Alle Vorbereitungen für den großen Tag abgeschlossen?«
Cædmons Miene verdüsterte sich. »O ja. Meine Mutter wartet nur auf besseres Wetter, ehe sie Helmsby verläßt und nach Maldon ins Kloster geht. Mein Onkel bemüht sich redlich, sich zu Tode zu trinken, ehe meine Braut auf meiner Burg einzieht, und meine Dienerschaft stellt die Halle auf den Kopf in dem hoffnungslosen Bestreben, Gnade vor ihren Augen zu finden. Ja, man kann wohl sagen, die Vorbereitungen werden mit allem gebotenen Eifer getroffen.«
Richard biß sich auf die Unterlippe. »Entschuldige, ich hätte nicht davon anfangen sollen.«
»Warum nicht?« wandte sein Onkel leichthin ein. »Es besteht kein Anlaß, übermäßige Rücksichten darauf zu nehmen, daß Cædmon glaubt, es sei das Ende der Welt, daß der König ihn mit einer Frau verheiratet, die er nicht will.«
Cædmon nickte knapp. »Ihr habt ja so recht, Monseigneur. Besseren Männern als mir ist das schon passiert.«
»Es passiert sozusagen jeden Tag«, stimmte Odo zu.
»Ja. Aber mir zum erstenmal. Sechs Jahre lang habe ich mich erfolgreich gewehrt. Es ist bitter, zuletzt doch noch zu unterliegen.«
Richard sah ihn bekümmert an. »Aber wieso sträubst du dich nur so sehr? Sie ist eine wirklich schöne Frau aus bester Familie und …«
»Ja, Richard, nur leider haßt sie England«, fiel Cædmon ihm hitzig ins Wort. »Und mich.«
Der Prinz stellte seinen Becher auf einem nahen Tisch ab und verschränkte die langen Arme vor der Brust. »Ich bin sicher, du wirst Mittel und Wege finden, sie umzustimmen.«
Cædmon runzelte die Stirn. »Wie?«
Richard mußte lachen. »Oh, Cædmon. Alles, was ich über Frauen weiß, hast du mir beigebracht – wie so viele andere Dinge auch –, und jetzt fragst du mich? «
Cædmon grinste wider Willen. In Wahrheit hatte der Prinz auf diesem Gebiet nie großer Belehrungen bedurft. Er war ein gutaussehender junger Mann mit den dunklen Haaren und Augen und der großen, athletischen Statur seines Vaters. Mit seinen kaum zwanzig Jahren hatte er sich schon den Ruf eines hervorragenden Kommandanten und mutigen Kämpfers erworben. Er war kein solcher Draufgänger wie Rufusoder ihr älterer Bruder Robert, fühlte sich im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit unwohl und war in Gegenwart seines Vaters immer noch schüchtern, aber sein Humor und sein natürlicher Charme machten alle Damen schwach.
»Ja, du hast gut lachen, Richard«, sagte Cædmon kläglich. »Deine schottische Braut ist erst drei Jahre alt. Dir bleiben noch mindestens zehn Jahre Schonfrist.«
»Das ist auch gut so«, brummte Odo. »Solange braucht er mindestens, um sich diese gewaltigen Hörner abzustoßen. Man hört schockierende Dinge über dich, mein Junge. Ich bin verwundert, daß dein Vater das duldet.«
Richard unterdrückte ein Lächeln. »Ich bin diskret, Onkel. Genau wie Ihr.«
Odo stimmte in das Gelächter mit ein, wurde aber schnell wieder ernst und fragte Cædmon: »Also? Was muß ich tun, um Eure Schwester umzustimmen?«
Ehe Cædmon antworten konnte, traten Rufus und Leif hinzu. Sie umarmten Eadwig zum Willkommen, und Leif fragte: »Hyld? Man stimmt sie nicht um, Monseigneur.«
Odo sah den jungen dänischen Ritter verdrossen an. »Was wißt Ihr darüber?«
»Sie ist die Frau meines Bruders. Sie hat Eadwig und meine Schwester und mich damals vor den Todesreitern gerettet. Ihr hättet sie sehen sollen. Selbst der Winter und der Hunger mußten sich ihrem Willen beugen.«
Odo zog spöttisch die Brauen in die Höhe. »Mein Junge, in Euch steckt ein Poet, scheint mir. Vielleicht habt Ihr das Zeug zu einem der großen Sagendichter Eures Volkes.«
»Ich bleibe lieber bei der Wahrheit, Monseigneur«, erwiderte Leif unerwartet ernst. »Niemand könnte eine neutralere Chronik über die Ereignisse in England während der letzten zehn Jahre schreiben als ich, denn ich bin dänisch, englisch und normannisch. Wenn ich darüber nachdenke, bin ich obendrein sogar noch Norweger.«
Odo nahm seinen Arm. »Ihr schreibt eine Chronik?«
Leif nickte. »Das
Weitere Kostenlose Bücher