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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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entrinnen.
    »Eine äußerst drängende Angelegenheit, Wulfnoth«, erklärte er bitter. »Jemand muß unbedingt noch heute sein Augenlicht verlieren.«
    Wulfnoth legte die flache Hand auf die Saiten der Laute. »Wer?«
    »Ein Bote der Königin.«
    »Gott, hat sie Robert etwa wieder Geld geschickt?«
    »Zweitausend Pfund. Wenn dir der Sinn danach steht, ein gutes Werk zu tun, dann geh zu ihr. Ich glaube, sie hat den Zuspruch eines Freundes bitter nötig.«
    Wulfnoth nickte seufzend. »Ja, ich werde zu ihr gehen. Später.«
    »Wenn du sicher sein kannst, William nicht zu begegnen«, mutmaßte Cædmon brummend.
    »So ist es. Seine Stimmung wird, wie du weißt, nie besser, wenn er mich sieht.« Er senkte den Kopf wieder über den Korpus der Laute. »Und warum sollte ich mich dem freiwillig aussetzen?«
     
    Die Weihnachtstage wurden weder besonders froh noch friedvoll. Am Heiligen Abend kam ein Bote mit der Nachricht, daß Prinz Robert mit seinen Getreuen auf der französischen Burg von Gerberoi nahe der Ostgrenze zur Normandie Stellung bezogen hatte. Der französische Könighatte ihm diese Festung zur Verfügung gestellt. Damit war bewiesen, was alle schon lange befürchtet hatten: Robert machte gemeinsame Sache mit Philip von Frankreich, Williams erklärtem Widersacher. Die jungen Normannen schlichen sich bei Nacht und Nebel über die Grenze, um sich Robert anzuschließen, aber auch französische Ritter scharten sich jetzt um ihn.
    William hatte das Kinn auf die Faust gestützt und lauschte dem furchtsamen Boten mit gerunzelter Stirn. Als der junge Ritter verstummte, hob er den Kopf. »Das war alles?«
    »Ja, Sire«, bestätigte der Bote atemlos.
    »Herrgott, hör auf zu schlottern, Junge, das ist ja erbärmlich!« grollte der König.
    Der junge Mann straffte seine Haltung und schluckte sichtlich. »Verzeiht mir, Sire.«
    »Roger de Beaumont schickt dich, sagst du?«
    »Ja, mein König.«
    »Dann hattest du einen weiten Weg durch höllisches Wetter. Geh in die Halle hinunter und iß und trink.«
    So grenzenlos war die Erleichterung, die sich in der Miene des Boten zeigte, daß selbst der König belustigt einen Mundwinkel verzog.
    Nachdem die Tür sich geschlossen hatte, wandte er sich an seinen Zweitältesten. »Nun, Rufus? Was würdest du tun?«
    »Ich würde Verstärkung aus England anfordern und Robert belagern, Sire.«
    »Tatsächlich?«
    Rufus sah seinen Vater unsicher an, sprach aber mit aller Entschlossenheit weiter, die er aufbringen konnte, denn er war von der Richtigkeit seiner Meinung überzeugt. »Ja. Robert hat sich zu Philips Handlanger machen lassen. Das ist bitter, macht seinen Verrat um vieles schlimmer, und … und es schmerzt mich, Vater, wie Euch sicher auch. Es ist ein Grund mehr, dieser verbrecherischen Rebellion ein Ende zu machen. Mit England im Rücken sind wir unvergleichlich viel stärker, als Philip von Frankreich es je sein könnte. Und Robert ist kein guter Soldat, er hat nicht viel Erfahrung. Wir werden ihn in Gerberoi genauso leicht besiegen wie in Rémalard, und dieses Mal lassen wir ihn nicht entkommen.« »Sondern tun was mit ihm?« hakte sein Vater ein.
    Rufus stieß hörbar die Luft aus. »Das … weiß ich nicht. Das könnt wirklich nur Ihr entscheiden, Sire.«
    »Du bist also nicht bereit, diese Bürde mit mir zu teilen?« erkundigte sich der König.
    Rufus sah ihn unglücklich an. Er merkte nicht, daß sein Vater nur ein grausames Spiel mit ihm trieb. Das merkte Rufus nie.
    Cædmon kam ihm zur Hilfe und murmelte: »Erst mal sollten wir Robert schlagen und einfangen, ehe Ihr Euch darüber den Kopf zerbrecht.«
    Zu Rufus’ Verblüffung zeigte William sein Wolfsgrinsen, lehnte sich im Sessel zurück und nickte. »Ein weises Wort, Cædmon. Schickt nach einem Schreiber, ich muß Lanfranc Nachricht schicken.« Er wandte sich an Rufus. »Ich bin ganz deiner Meinung. Es ist zwar gefährlich, England zu entblößen, weil König Malcolm von Schottland Truppen aufstellt, um in Northumbria einzufallen, aber zwei-, dreihundert Ritter aus dem Süden und Westen werden Lanfranc und deine Onkel wohl entbehren können. Ich habe bereits nach Verstärkung geschickt; die ersten Männer können jederzeit eintreffen. Gleich nach den Feiertagen ziehen wir nach Gerberoi.« Er sah wieder zu Cædmon. »Worauf wartet Ihr?«
    »Eure Schreiber sind alle in der Kapelle, Sire. Heute ist der Heilige Abend.«
    Der König nickte zerstreut. »Was für eine Welt, in der man nicht einmal mehr am höchsten aller

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