Das zweite Königreich
Feste Frieden hat …«, bemerkte er seufzend. »Dann werdet eben Ihr Lanfranc schreiben, Cædmon.«
»Ich?«
William runzelte unwillig die Stirn. »Ich sehe hier sonst niemanden dieses Namens.«
»Sire, ich … kann nicht schreiben.«
»Aber Ihr könnt doch lesen.«
»Das ist nicht das gleiche.«
»Ziert Euch nicht, geht an das verdammte Schreibpult! Na los!«
Cædmon sah hilfesuchend zu Rufus, Henry und den anderen Männern am Tisch, die alle mehr oder minder offen grinsten. Von dort war keine Unterstützung zu erwarten. Ratlos trat er an das Pult, nahm zögernd die Feder in die Hand und tauchte sie in das kleine Tintenhorn, das in einem schmiedeeisernen Ständer daraufstand. Er fühlte sich hoffnungslos überfordert, noch ehe der König ein Wort diktiert hatte. Bitte, Gott, tu irgendwas. Egal was, aber lenk ihn ab, bis die Andacht vorbei ist … Prompt ertönte ein Klopfen an der Tür, und auf Williams ungeduldigen Ruf hin trat ein Page ein und verneigte sich tief.
»Was gibt es?« fragte der König barsch.
»Der Sheriff von Cheshire ist mit fünfzig Rittern aus England eingetroffen. Er wartet unten in der Halle auf Eure Befehle.«
Cædmon hatte sich abrupt abgewandt, so daß niemand sein Gesicht sehen konnte, und dachte voller Entsetzen: Bedenke, worum du bittest, du unbelehrbarer Narr, denn Gott könnte dir einen tückischen Streich spielen und es gewähren …
»Schick ihn herauf«, befahl der König.
Als Cædmon den Türriegel einrasten hörte, wandte er sich an William, rang um eine ausdruckslose Miene und sagte ohne alle Dringlichkeit: »Erlaubt Ihr, daß ich mich zurückziehe, Sire?«
Eine der großen Pranken winkte ab. »Kommt nicht in Frage. Das fehlt noch, daß ich ständig nach Euch schicken muß, weil Ihr Euch irgendwo verkrochen habt, um ihm aus dem Wege zu gehen. Die Dinge sind so schon schwierig genug.«
»Sire, ich … bitte Euch.«
»Ja, ja. So viele bitten mich um so viele Dinge. Und wie so oft kann ich auch Eure Bitte nicht gewähren.«
Ein neuerliches Klopfen an der Tür beendete die Debatte. Cædmon durchlebte einen Moment würgender Panik, sein Blick glitt gehetzt durch den großen, aber so spärlich möblierten Raum, als suche er nach einem Versteck, verharrte gar einen Augenblick bei einem der Fenster. Doch es war zu klein, als daß ein ausgewachsener Angelsachse hindurchgepaßt hätte, und außerdem lag es mehr als dreißig Fuß über der Erde …
Er nahm sich zusammen, als die Tür sich öffnete, und sah ausdruckslos geradeaus.
»Etienne fitz Osbern!« rief William leutselig. »Seid willkommen.«
Einen endlosen Augenblick lang starrten die einstigen Freunde sich an. Cædmons erste Empfindung war eine völlig unerwartete, unbändige Freude, so daß er sich nur mit Mühe daran hinderte, zu lächeln und auf ihn zu zu gehen. Etiennes Gesicht zeigte überhaupt keine Regung, seine Augen verengten sich nur ein klein wenig, und sein Schritt geriet fast unmerklich ins Stocken.
All das dauerte nicht einmal einen Herzschlag lang. Dann richtete der Ankömmling den Blick auf den König, sank vor ihm auf ein Knie nieder und sagte: »Ich bin gekommen, so schnell ich konnte, mein König. Ihr seht mich tief erschüttert. Mein Vater ist tot, meine beidenBrüder und meine Schwester Verräter, und so bin ich der letzte fitz Osbern, der Euch dient, aber meine Treue gehört Euch ebenso wie mein Leben.«
William neigte das Haupt ein wenig und hieß ihn mit einer Geste, sich zu erheben. »Ich hoffe, Ihr hattet eine gute Überfahrt?«
Etienne deutete ein Achselzucken an. »Nun, ich stehe hier lebendig vor Euch, Sire. Das ist das einzig Gute, was es über diese Überfahrt zu sagen gibt.«
Die Männer am Tisch lachten leise, vermutlich nicht wenig erleichtert darüber, daß ihnen eine häßliche Szene offenbar erspart bleiben sollte. Nur Cædmon stand immer noch stockstill neben dem Schreibpult und wünschte sich wohl zum tausendsten Mal in seinem Leben, sein Vater hätte ihn niemals, niemals aus Helmsby fortgeschickt.
Mit einer Geste lud der König Etienne ein, in der Runde Platz zu nehmen. »Ihr bringt fünfzig Männer?«
Etienne verneigte sich vor den Prinzen, setzte sich dann neben den Bischof von Évreux und nickte den übrigen grüßend zu. »So ist es. Allesamt Engländer, die mir oder meinen Vasallen dienstpflichtig sind. Hervorragend ausgebildet und ausgerüstet und Euch ganz und gar ergeben.«
Der König nickte zufrieden. »Rufus, setze fitz Osbern ins Bild, sei so gut.« Dann
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