Das zweite Königreich
und flüsterte: »Bitte, kommt später wieder, Thane.«
»Ihr bleibt!« widersprach William, sah wieder auf die arme Sünderin hinab und fragte: »Wieviel dieses Mal?«
Sie antwortete nicht, wich beinah wankend einen Schritt vor ihm zurück ans Fenster.
William folgte ihr. »Madame, meine Geduld hat sich erschöpft!«
Sie starrte zu ihm auf, verängstigt und sprachlos, ihre Lippen bebten. Dieses erbarmungswürdige Bild war selbst für William zuviel, aber ehe es sein Herz erweichen konnte, fuhr er zu Cædmon herum und befahl: »Geht hinunter zu Hamo fitz Hugh und sagt ihm, es ist mein Wunsch,daß der Bote der Königin gefoltert wird, bis er sagt, wieviel er den Rebellen gebracht hat.«
»Nein!« rief Matilda entsetzt aus. »Nein, bitte. Es … es waren … zweitausend Pfund«, stieß sie atemlos hervor.
William sah sie ungläubig an. Zweitausend Pfund war eine wahrhaft gewaltige Summe. Für einen Moment verdrängte Fassungslosigkeit seinen Zorn. Langsam ging er zum Tisch hinüber und sank in einen Sessel. »Davon kann er eine ganze Armee bezahlen«, flüsterte er heiser. »Wie konntest du das tun, Matilda? Wie konntest du nur?«
Die trügerische Ruhe machte ihr ein bißchen Mut. »Aber versteh doch, er hat so furchtbare Schulden. Dafür war das Geld bestimmt, nicht für Soldaten«, versuchte sie zu erklären.
William schnaubte. »Das war es, was du glauben solltest.«
»Nein, es ist so. Ich weiß es von verläßlichen Informanten aus Flandern. Seit du Robert bei Rémalard geschlagen hast, ist seine Lage … verzweifelt.«
Der König fuhr in die Höhe, als habe ihn etwas gestochen. »Und genau das war meine Absicht! Wenn all seine Getreuen und Verbündeten von ihm abgefallen und er verzweifelt genug gewesen wäre, wäre er vielleicht hergekommen und hätte mich um Verzeihung gebeten!« »Wie kann er das, nachdem du ihm hast ausrichten lassen, daß du ihn erschlägst, wenn er dir je wieder unter die Augen kommt?« fragte sie erstickt, und wieder rannen Tränen über ihr Gesicht. »Es tut mir leid, wenn ich dich hintergangen habe, aber er hat mich so verzweifelt angefleht. Was sollte ich denn tun? Er ist doch mein Kind, William!« Der König erwiderte ihren Blick mit unbewegter Miene. »Ich stelle mit Befremden fest, daß Ihr nicht an erster Stelle Herzogin und Königin seid, sondern Mutter, Madame. Ich sehe mich daher gezwungen, Euch vorläufig die Kontrolle über Euer persönliches Vermögen zu entziehen. Obwohl Euer Fehler vermutlich folgenschwer ist, will ich Euch noch einmal vergeben. Nicht aber Eurem Boten. Er wird geblendet.«
Matilda hatte ihm mit gesenktem Kopf gelauscht. Jetzt trat sie langsam vor ihn, und zu Cædmons grenzenloser Verlegenheit mußte er mit ansehen, wie die Königin vor ihrem Mann auf die Knie sank. »Bitte, Sire, schont meinen Ritter. Er hat nur getan, was ich ihm aufgetragen habe.« »Laßt es Euch eine Lehre sein, Eure Befehle in Zukunft gewissenhafter abzuwägen«, erwiderte er leise, beinah sanft.
»William, ich flehe Euch an …«
»Umsonst. Cædmon, geleitet die Königin in ihre Gemächer und sorgt dafür, daß das Urteil gegen ihren Boten umgehend vollstreckt wird. Vergeßt es nicht wieder, Thane«, schloß er drohend.
Cædmon biß die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. »Nein, Sire.« Dann trat er zu Matilda und streckte ihr die Hand entgegen. Er war sicher, sie werde sie ignorieren, doch zu seiner Überraschung legte sie ihre Linke hinein, ließ sich aufhelfen und ging widerstandslos mit ihm hinaus. Auf dem Korridor nahm er ihren Arm und stützte sie. Als er sie in ihr Gemach brachte, wechselten die beiden Damen, die dort auf sie warteten, einen entsetzten Blick, sagten aber nichts und rührten sich nicht. Cædmon zögerte einen Moment, ehe er fragte: »Gibt es irgend etwas, das ich für Euch tun kann, Madame?«
Sie hob den Kopf und sah ihn an. Langsam fand sie die Fassung wieder; Cædmon konnte zusehen, wie der Schmerz in ihrem Gesicht der Resignation Platz machte. Mit einem enormen Willensakt straffte sie die schmalen Schultern. »Nein, Ihr könnt nichts tun. Er hört ja nicht einmal mehr auf Euch. Oder auf mich.«
»Er ist tief verbittert über Roberts Rebellion, Madame«, versuchte er behutsam zu erklären. »Zu Recht.«
Sie lächelte matt. »Natürlich. Und wie konnte ich nur glauben, Ihr stündet in diesem Punkt auf meiner Seite statt auf seiner.«
Cædmon senkte unglücklich den Blick. »Madame, ich …«
»Es ist schon gut.« Sie zeigte den Schatten
Weitere Kostenlose Bücher