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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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sein, daß ich immer allen Unglück bringe, die ich liebe?«
     
    Niemand erfuhr je, was der König und sein Sohn sich unter vier Augen sagten, doch die Unterredung führte zum endgültigen Bruch. Noch vor Sonnenuntergang zog Prinz Robert mit seinem Gefolge von der Burg in Laigle ab, und der König zeigte sich weder am Abend noch am nächsten Tag und war für niemanden zu sprechen.
    Robert sammelte seine Getreuen um sich, hörte auf die Schmeicheleien von Edgar Ætheling und anderen Günstlingen und unternahm den tollkühnen, aber doch unglaublich törichten Versuch, Rouen einzunehmen. Der Befehlshaber der Burg schlug den Angriff ohne die geringste Mühe zurück, eher verdattert als ernstlich bedrängt.
    Dennoch stellte der Zwist innerhalb der Herrscherfamilie einen Riß dar, der sich bald auf das ganze Land auswirkte und es spaltete. Nach der erfolglosen Belagerung von Rouen floh Robert mit seinen Getreuen zu seinem Onkel, dem Herzog von Flandern, der ein erklärter Feind des Königs war. Dort empfing er Gesandte des Königs von Frankreich und schmiedete Ränke gegen seinen Vater. Und während die Monate ins Land gingen, schlossen sich ihm mehr und mehr normannische Adlige an. Vor allem die jungen Männer, die ältesten Söhne derer, die William mit nach England genommen und dort belehnt hatte. Ihre Erstgeborenen, Roberts Altersgenossen, waren mehrheitlich daheim geblieben, um den Familienstammsitz zu verwalten, genau wie Robert es für seinen Vater getan hatte. So war es nur natürlich, daß sie sich dem Prinzen enger verbunden fühlten als dem König, und William saß in Rouen und mußte mit ansehen, wie die Söhne seiner treuen Vasallen sich dem abtrünnigen Sohn in Flandern anschlossen. Auch Ralph de Gael, der einstige Earl of Norfolk, der Emma fitz Osbern geheiratet und mit ihrem Bruder Williams Sturz in England geplant hatte, bot Robert Hilfe und bretonische Burgen als Stützpunkte an.
    Eadwig gab sich selbst die Schuld für diesen folgenschweren Familienzwist und bat Prinz Rufus, ihn für eine Weile aus seinen Diensten zu entlassen, damit er sich ein paar Monate in ein normannisches Kloster zurückziehen konnte, um dort zu beten, zu fasten und zu büßen.
    Aber Rufus lehnte ab. Er konnte die flehentlichen Bitten seiner Ritter genauso hartherzig ignorieren wie sein Vater. Doch anders als sein Vater gab er wenigstens eine Erklärung: »Es ist nicht deine Schuld, Eadwig, sondern meine. Jedenfalls ist es das, was der König denkt. Wie soll ich meine Furcht vor seinem Zorn aushalten, wenn du nicht da bist? Und er ist zornig, weißt du. Du willst Buße tun, sagst du? Dann bleib hier.«

Rouen, Dezember 1078
    Cædmon klopfte kurz an die Tür zu Williams Privatgemach über der großen Halle und trat sofort ein, denn Toki Wigotson hatte ihm ausgerichtet, der König verlange ihn auf der Stelle zu sprechen. Doch als er die Szene im Raum sah, wünschte er sich, er hätte auf eine Aufforderungvon drinnen gewartet. Er sollte endlich lernen, mehr auf Etikette zu achten.
    Die Königin stand vor ihrem Mann und weinte bitterlich. »Bitte, versuch doch, mich zu verstehen, William.«
    »Wie soll ich verstehen, daß du mich hintergehst?« fragte er eisig.
    »Aber er ist mein Sohn!«
    Cædmon stand reglos an der Tür und schloß für einen Moment die Augen. O nein. Bitte nicht, Gott. Gib, daß sie es nicht schon wieder getan hat …
    »Er ist ein Verräter«, widersprach der König, anscheinend vollkommen unbeeindruckt von ihrem Flehen.
    William stand nur einen Schritt von seiner Gemahlin entfernt und überragte sie turmhoch. Matilda wirkte unter normalen Umständen schon elfenhaft klein und zierlich neben ihm, aber jetzt, da sie sich furchtsam zusammenkauerte, schien sie zerbrechlich wie ein Schilfhalm.
    Die Königin hatte weitaus länger als der König gezögert, Cædmon sein Vergehen zu verzeihen, hatte ihn bis vor wenigen Wochen mit größter Herablassung behandelt und meist mit Verachtung gestraft. Und so empfand Cædmon einen kleinen Moment Genugtuung, sie so zu sehen. Aber sofort schämte er sich, denn er wußte, sie war eine sehr unglückliche, verzweifelte Frau. Und in diesem Augenblick bedroht. Cædmon sah mit eigenen Augen, was er niemals für möglich gehalten hätte: Der König war versucht, die Hand gegen seine angebetete Matilda zu erheben.
    Cædmon sammelte seinen Mut, atmete tief durch und fragte: »Ihr habt nach mir geschickt, Sire?«
    Beide Köpfe fuhren zu ihm herum, aber Matilda wandte sich sogleich wieder ab

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