Das zweite Königreich
ebenso. Hemmungsloser als je zuvor schlang sie die Beine um seine Hüften und wölbte sich ihm entgegen, bis sein Atem schwer wurde. Dann nahm sie die Hände von den Pfosten, legte sie auf seine Schultern und bedeutete ihm, sie umzudrehen, so daß sie rittlings auf ihm saß, und dann ritt sie ihn, daß ihm Hören und Sehen verging und er keuchend ihren Namen stammelte. Hingerissen lauschte sie seiner Stimme, warf mit einem triumphalen Laut den Kopf in den Nacken und schauderte und kam.
»Oh, Aliesa«, flüsterte er schließlich ein bißchen heiser. Er lag in ihren Armen, hatte den Kopf auf ihre Brust gebettet und die Augen fest geschlossen. »Würdest du … würdest du das wohl gelegentlich wieder tun?«
Sie sah auf seinen Kopf hinab, den verblüffend schmalen Nacken, der ihn so verwundbar erscheinen ließ, die breiten Schultern und kräftigen Arme, die die Narben der Greueltat ihres Bruders trugen, und sie zog ihn fester an sich und drohte der Welt im stillen an, sie werde sie kennenlernen, wenn sie ihm je wieder weh tat.
»Sagen wir, an jedem ersten Freitag im Monat?« antwortete sie ebenso leise, aber er hörte das Lächeln in ihrer Stimme.
Er brummte schläfrig, »Ihr seid sehr sparsam mit Eurer Gunst, Madame.« Sie drückte die Lippen auf die Stelle über seinem Ohr, wo die Haare besonders hell waren. »Ich meine, das ist nur weise, sonst weißt du sie eines Tages nicht mehr zu schätzen.«
»Deine Gunst werde ich in hundert Jahren noch zu schätzen wissen. Sie war immer mein kostbarster Besitz, das einzige, worauf ich nicht verzichten kann. Wußtest du das nicht?« murmelte er.
»Doch. Ich weiß. Cædmon?«
Aber er war eingeschlafen.
Sie weckte ihn, noch ehe es hell war, und es kam ihm vor, als habe er nur wenige Minuten geschlafen.
»Wach auf, Cædmon, das mußt du dir ansehen.« Sie rüttelte unbarmherzig an seinem Arm.
»Was?« fragte er undeutlich, das Gesicht ins Kissen gepreßt.
»Die Sonne geht auf!«
Er stöhnte. »Aber das tut sie hier in East Anglia jeden Morgen« protestierte er. »Immer genau vor diesem Fenster. Das ist nichts Besonderes.«Sie lachte und zog ihm die Decke weg. »Komm schon.«
Schlaftrunken setzte er sich auf, sah blinzelnd zum Fenster und rieb sich die Augen. Der Bettvorhang war zurückgezogen. Aliesa hatte sich in ein Laken gewickelt und stand mit dem Rücken zu ihm vor dem Ausschnitt des glutroten Himmels. Er stand auf, stellte sich neben sie und legte den Arm um ihre Schultern. Eine geschlossene hohe Wolkendecke hatte den Himmel überzogen und wurde von der aufgehenden Sonne angestrahlt. Sie leuchtete in allen Farben des Feuers: goldgelb, violett und tiefrot. Es war ein Anblick, für den aufzuwachen sich lohnte, mußte er einräumen.
Er strich ihre Haare beiseite und küßte ihren Nacken. »Die Schamesröte des Himmels ob unserer Ausschweifungen«, bemerkte er.
Sie neigte lachend den Kopf. »Das würde mich nicht wundern …«
Er zog sie näher, preßte den Bauch an ihren Rücken und legte beide Arme um sie. »Ich wünschte, Gott würde die Zeit anhalten. Jetzt, in diesem Moment.«
»Aber das wird er nicht. Ich bin schwanger, Cædmon.«
Er lächelte selig. »Sicher?«
Sie hob leicht die Schultern. »Dafür ist es eigentlich zu früh. Aber trotzdem, ich bin sicher.«
Er umschloß sie noch ein wenig fester und sah über ihren Scheitel hinweg auf den Feuerhimmel hinaus. »Dieses Mal wird es gutgehen, Aliesa.«
»Wie kannst du so sicher sein?« fragte sie verwundert.
»Das Kind, das du verloren hast, war in Sünde gezeugt. ›Die Frucht der Unzucht soll verdorren.‹ Heißt es nicht so in der Bibel? Aber unsere Sünde ist gesühnt und vergeben. Gott wird uns gnädig sein, und unser Kind wird in unserer neuen Kirche getauft werden, du wirst sehen.«
Sie atmete tief durch und lehnte den Kopf zurück an seine Schulter. Mehr gab es dazu wohl nicht zu sagen. Sie wollte dieses Kind. Sie hatte sich auch von Etienne Kinder gewünscht, aber es war nie geschehen, und jetzt wollte sie es um so mehr, weil es Cædmons Kind sein würde und es außerdem höchste Zeit wurde. Sie war achtundzwanzig, schon viel zu alt, hätte manche Hebamme gesagt. Es war müßig und albern, sich wegen der Risiken zu sorgen. Aber sie konnte die Erinnerung an die grauenvolle Fehlgeburt nicht abschütteln, und seine Zuversicht beruhigte und tröstete sie.
»Laß uns ein Stück am Ouse entlangreiten«, schlug er plötzlich vor. »Es ist so wunderbar am Fluß um diese Tageszeit.«
Ihre Augen
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