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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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leuchteten auf. »Einverstanden.«
     
    Sie waren nicht die ersten, die sich im Burghof regten. Die Nachtwache an der Zugbrücke wurde gerade abgelöst, als sie aus dem Haus traten, und die Housecarls grüßten verwundert. Die Melkerinnen trugen schon die ersten gefüllten Ledereimer aus den Ställen in die Molkerei hinüber.
    Cædmon und Aliesa schlichen in den Pferdestall nahe des Haupttores, und der junge Ine kam schlaftrunken die Leiter vom Heuboden herab. Das leise Klimpern von Trensen und Sattelgurtschnallen hatte ihn offenbar geweckt.
    »Thane …«, murmelte er verblüfft und ein wenig erschrocken, »hab’ ich irgendwas verschwitzt?«
    »Nein, schon gut, Ine. Wir wollen nur am Fluß sein, ehe es hell ist. Sattel Lady Aliesas Stute, ich kümmere mich selbst um Widsith.«
    »In Ordnung.«
    Der Stallknecht legte dem zierlichen Tier den Damensattel auf, schnallte ihn sorgsam fest und streifte dann das Zaumzeug über den edlen kleinen Kopf. Cædmon sah aus dem Augenwinkel, wie behutsam er den Riemen über die empfindlichen Ohren schob, und dachte, daß Ine eine bessere Hand mit Pferden hatte als der alte Edgar.
    »Wo ist dein Vater?«
    »Tot«, beschied Ine knapp.
    »Oh. Das tut mir leid.«
    Der junge Mann nickte ergeben, nahm die Stute am Zügel und führte sie hinaus, wo Aliesa wartete. Ine überreichte ihr die Zügel, verschränkte die Finger ineinander und beugte sich vor, so daß sie seine Hände als Trittleiter benutzen konnte.
    Aliesa saß auf, nickte ihm zu und strich ihren Rock glatt.
    Cædmon folgte mit Widsith, schwang sich ebenfalls in den Sattel, und Seite an Seite ritten sie aus dem Tor und auf den Wald zu.
    »Ein Generationenwechsel hat in Helmsby und in Metcombe stattgefunden«, sagte er versonnen. »Dabei war ich doch nur gut drei Jahre fort.«
    »Wahrscheinlich kommt es dir so vor, weil deine Mutter gestorben ist«, vermutete sie.
    »Sie und Berit of Metcombe und der alte Edgar … Menschen, die ich mein Leben lang gekannt habe.«
    Sie lächelte. »Du kennst jeden hier dein Leben lang, vorausgesetzt er ist älter als du.«
    »Das ist wahr.«
    Als sie an den Fluß kamen, begann die Glut am Himmel zu verblassen, und die Sonne ging auf. Sie ritten ihr auf dem Uferpfad entgegen, und jetzt war es das Wasser, das rotgolden funkelte und strahlte.
    »So muß es ausgesehen haben, als der Goldschatz noch in den Tiefen des Rheins verborgen lag«, murmelte Cædmon.
    »Was?« fragte sie verwundert.
    Er wandte den Kopf und sah sie an. Er erinnerte sich noch genau daran, daß er sich einmal gewünscht hatte, sie möge eines Tages in einer englischen Halle mit ihm am Feuer sitzen und die Lieder von Siegfried und dem Drachen hören.
    »Es ist eine Geschichte. Von den alten Göttern und einem großen Goldschatz und einem Drachen.«
    »Erzähl sie mir!« Ihre Augen leuchteten.
    »Das wäre eine Schande. Der nächste gute Spielmann, der nach Helmsby kommt, soll es tun.«
    Sie rümpfte die Nase. »Versprechungen …«
    »Ich mag mich irren, aber ich glaube, alles, was ich dir bis jetzt versprochen habe, habe ich auch gehalten, oder?«
    Sie dachte kurz nach. »So ist es.« Mit einem Lächeln streckte sie die Hand aus und legte sie einen Moment auf seinen Arm. »Also will ich mich gedulden.«
    Cædmon nickte zufrieden, sah wieder nach vorn und zügelte Widsith. »Schsch«, machte er wispernd. »Sieh nur.«
    Aliesa hielt neben ihm und folgte seinem Blick. Eine Ricke stand mit einem Kitz am Ufer und trank. Noch hatte sie sie nicht gewittert, denn sie hatten den Wind im Gesicht. Unbeholfen stakste das Junge neben ihr im hohen Gras auf und ab, hob dann den Kopf, legte die kleinen Ohren zurück, suchte einen Moment und fing dann an zu saugen. Die Ricke hatte sich sattgesoffen und stand geduldig still. Dann flaute die Morgenbrise einen Moment ab, und sofort drehte das Muttertier den Kopf in ihre Richtung, die Ohren zuckten nervös. Das Kitz hörte auf zu trinken, folgte ihrem Beispiel, und dann machten sie kehrt und sprangen eilig zwischen den Bäumen davon.
    Aliesa atmete tief durch. »Wie wunderschön. Nur gut, daß du deine Hunde zu Hause gelassen hast.«
    Cædmon nickte. Er hätte die Ricke ebensogut mit der Schleuder erlegen können, sie war keine fünfzig Schritt weit weg gewesen. Einen Moment hatte er mit dem Gedanken gespielt. Er war ein leidenschaftlicher Jäger, und Wild war immer eine willkommene Bereicherung seiner Tafel. Normalerweise hätte das friedvolle Bild ihn nicht bewogen, die Rehe zu schonen. Doch heute

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