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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und jetzt jagt ein Ärgernis das nächste …
    Vier kleine Jungen hatten sich am Fuße des gewaltigen, scharfriechenden Misthaufens eingefunden: seine Söhne und Hylds. Harold und Guthrum, neun und fünf Jahre alt, standen mit auf dem Rücken verschränkten Händen und sahen mit konzentrierter, leicht beunruhigter Miene auf ihre beiden Cousins.
    Ælfric hatte seinem jüngeren Bruder den linken Arm auf den Rücken gedreht, die andere Hand in dessen lange, dunkle Haare gekrallt und ihn gegen den stinkenden Hügel aus Stroh und Pferdemist gedrängt. »Schwöre«, befahl Ælfric. »Los, schwöre, daß du das Maul hältst!« Dunstan, schoß es Cædmon durch den Kopf. Er ist genau wie Dunstan. Es war ein schrecklicher Gedanke.
    Wulfnoths Gesicht war anzusehen, daß es zumindest schon einmal in den ekligen Dreck gedrückt worden war: Es war verschmiert, und unreines Stroh klebte in seinen Haaren. Er weinte leise, schüttelte aber trotzig den Kopf.
    »Na schön. Du hast es so gewollt, Schwachkopf«, höhnte Ælfric.
    Cædmon wartete nicht, bis sein Ältester seine Drohung wahrmachen konnte. Mit zwei Schritten hatte er die Jungen erreicht. Er packte jeden an einem Oberarm, zerrte sie auseinander, hielt Wulfnoth fest, bis er sicher stand, und verpaßte Ælfric eine so gewaltige Ohrfeige, daß der Junge mit einiger Wucht in den Mist geschleudert wurde.
    »Was hat das zu bedeuten?« erkundigte Cædmon sich.
    Ælfric rappelte sich auf, klopfte sich das Stroh von der Kleidung und sah seinen Vater trotzig an. Wulfnoth stand reglos und mit gesenktemKopf da. Harold und Guthrum traten unbehaglich von einem Fuß auf den anderen und warfen ihrem Onkel bange Blicke zu.
    »Es wäre klug, wenn du mir antworten würdest, Ælfric«, drohte Cædmon mit mühsam beherrschter Ungeduld.
    Doch sein Sohn schüttelte entschieden den Kopf. »Es ist eine Sache zwischen Wulfnoth und mir.«
    Furchtlos, erkannte Cædmon nicht ohne Stolz. Auch in dieser Hinsicht glich Ælfric Dunstan, der ihrem Vater ebenso stets die Stirn geboten hatte, vollkommen unbeeindruckt von den zu erwartenden Folgen.
    Mehr weil es ihn amüsierte, denn seinen Sohn zu belehren, gab er eine von Jehan de Bellêmes meistzitierten Weisheiten zum besten: »Furchtlosigkeit ist die Tugend der Narren, Ælfric. Sie entsteht nicht aus Mut, sondern aus mangelnder Vorstellungskraft. Der Weise fürchtet sich und läßt sich trotzdem nicht von seinem Weg abbringen. Er wird nur vorsichtig.« Ælfric blinzelte verwirrt. »Was heißt das?«
    »Daß du einfach keine Ahnung hast, was dir blüht, wenn du nicht tust, was ich sage.« Er packte ihn hart an der Schulter und zog ihn mit einem Ruck näher. »Jetzt bin ich wieder zu Hause, verstehst du, und jetzt brechen neue Zeiten an. Wenn ich dich noch mal dabei erwische, daß du dir einen Schwächeren vornimmst, bist du fällig. Es ist feige.«
    »Ich bin nicht feige«, protestierte Ælfric entrüstet.
    »Wirklich nicht? Dann sag mir, was dein Bruder schwören sollte. Ein solcherart erzwungener Schwur wäre übrigens ohnehin nicht bindend gewesen, aber das spielt im Augenblick keine Rolle. Sag es mir. Na los.«
    Ælfric schüttelte ohne das geringste Zögern den Kopf. »Nein.«
    Cædmon atmete tief durch. Und all das vor dem Frühstück, dachte er fassungslos, nach einer Nacht wie dieser. »Schön, ganz wie du willst. Ihr anderen verschwindet. Wulfnoth, geh dich waschen, und dann hinein mit euch zum Frühstück.«
    Harold und Guthrum wandten sich mit hängenden Schultern ab, aber Wulfnoth zögerte.
    »Nein, warte, Vater«, bat er leise.
    Ælfrics Miene war grimmig entschlossen; ein beinah unheimlicher Ausdruck auf einem so jungen Gesicht. »Halt bloß den Mund, Knirps«, drohte er finster.
    Wulfnoth schwankte.
    Cædmon machte eine ungeduldige, wedelnde Handbewegung. »Geh nur, Wulfnoth.«
    Der jüngere seiner Söhne schüttelte ungewöhnlich entschlossen den Kopf. »Nein.« Seine kleinen Hände ballten sich zu Fäusten, und dann stieß er hervor: »Es ist alles wegen Hereward, Vater. Der Müller von Metcombe versteckt ihn vor den Männern des Sheriffs.«
    Cædmon sah fassungslos von einem Sohn zum anderen. »Hereward? Der Wächter?«
    Wulfnoth senkte den Blick. »Ja.«
    Cædmon atmete tief durch und wandte den Blick zum wolkenverhangenen Himmel. Was kommt als nächstes, Gott?
    Er hatte geglaubt, Hereward sei längst tot. Seit acht Jahren hatte niemand von ihm gehört …
    »Und er ist in Metcombe?«
    Wulfnoth nickte zögernd. »Ælfric wollte, daß ich

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