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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Wache, der die Soldaten an Williams Hof befehligte, trat gemessenen Schrittes hinzu und begrüßte zuerst den Earl of Wessex, dann den Grafen des Ponthieu, wie Cædmon mit Interesse feststellte. Wenn er eins in der kurzen Zeit gelernt hatte, die er hier war, dann das: Die Reihenfolge der Begrüßung blieb bei den Normannen ebensowenig dem Zufall überlassen wie die Tischordnung.
    Harold sagte etwas zu dem normannischen Offizier, der daraufhin in ihre Richtung wies. Der Earl ließ den Mann fast brüsk stehen und eilte auf sie zu. Vor Wulfnoth hielt er an, und sein sonst meist unbewegtesGesicht verriet eine Vielzahl von Gefühlen. Cædmon konnte den Ausdruck nicht so recht deuten, Trauer und Ergriffenheit lagen jedenfalls darin.
    »Wulfnoth …« Harold packte seinen Bruder, dessen schmächtige Gestalt beinah in der Umarmung verschwand.
    »Willkommen in Rouen, Bruder«, murmelte der Jüngere.
    Er schafft es nicht, so kühl zu bleiben, wie er gern möchte, fuhr es Cædmon durch den Kopf. Er wollte sich höflich entfernen, aber kaum hatte er sich abgewandt, landete eine Pranke auf seiner Schulter.
    »Hiergeblieben, mein Junge.« Harold drehte ihn wieder zu sich um und sah ihn lächelnd an. »Ich bin dir zu Dank verpflichtet. Was für eine wagemutige Tat, Cædmon. Du hast jeden meiner Housecarls beschämt.«
    Dann muß ich mich von jetzt an wohl mehr denn je vor ihnen in acht nehmen, dachte Cædmon flüchtig. Er schüttelte verlegen den Kopf. »Ich war der einzige, der Bewegungsfreiheit hatte.«
    Harold hob abwehrend die Linke. »Trotzdem. Für einen jungen, unerfahrenen Burschen wie dich wäre es selbst ohne ein lahmes Bein eine gewaltige Aufgabe gewesen. Du kannst sicher sein, daß dein Vater davon erfährt. Und er wird genauso stolz auf dich sein wie ich.«
    »Danke, Mylord.« Das Lob klang aufrichtig, also warum hatte er das Gefühl, daß die kleine Spitze beabsichtigt gewesen war?
    Harold legte Cædmon und Wulfnoth einen Arm um die Schultern und führte sie auf das Hauptgebäude zu. »Kommt. William erwartet uns.« Vor der Burg feierte Cædmon ein freudiges Wiedersehen mit Bruder Oswald, und die Housecarls begrüßten ihn mit mehr Freundlichkeit, als er erwartet hätte. Eldred klopfte ihm sogar die Schulter. »Ohne dich säßen wir immer noch in dem verdammten Drecksloch, Junge. Ich bin dir was schuldig.«
    Cædmon lachte leise. »Darauf werd’ ich zurückkommen, wenn du am wenigsten damit rechnest, Eldred.«
    Guy und sein Gefolge würdigten ihn keines Blickes. Und Cædmon wagte nicht, zu dem Mädchen hinüberzusehen.
    Der Kapitän der Wache führte sie in die Halle. Die Tische waren beiseite geräumt worden. Herzog William saß auf seinem thronartigen Sessel. Er trug einen kostbaren Mantel aus dunkelgrünem Brokat, der am Hals mit einer goldenen Spange geschlossen war, über einem nicht minder feinen Gewand aus safrangelbem Leinen. Ein wenig zu seinerLinken standen ein Priester und einer von Williams Vertrauten, die leise miteinander tuschelten. Offiziere standen in Gruppen zusammen, hielten Becher in den Händen und besprachen leise die Einzelheiten des bevorstehenden Feldzuges.
    Der Herzog selbst saß vollkommen reglos und sah den Ankömmlingen ernst entgegen.
    Harold und Guy traten vor ihn und verneigten sich, Guy wesentlich ehrerbietiger als der englische Earl.
    William wandte sich trotzdem zuerst an diesen. »Seid mir willkommen, Monseigneur.«
    Harold bedankte sich. »Ich bringe Euch freundschaftliche Grüße von Eurem Vetter, König Edward.«
    Der Anflug eines höflichen Lächelns lag in Williams Mundwinkeln, aber sein Ausdruck zeigte Unverständnis.
    Harold sah kurz über die Schulter. »Cædmon, Bruder Oswald, wenn ihr so gut sein wollt …«
    Sie traten beide einen Schritt vor und übersetzten den förmlichen Gruß wie aus einem Munde. Dann tauschten sie einen Blick und hatten Mühe, nicht zu lachen.
    William nickte bedächtig und wandte sich an Guy de Ponthieu. Cædmon hätte nicht gedacht, daß die Miene des Herzogs noch ernster werden konnte, aber seine Augen verengten sich fast unmerklich, der Ausdruck wurde auf unbestimmte Weise drohend. »Seid auch Ihr willkommen, Guy. Und ich bin Euch dankbar, daß Ihr den Gesandten meines Vetters nach seinem Schiffbruch mit Gastfreundschaft aufgenommen und hierhergeleitet habt. Ihr habt Euch als treuer Vasall erwiesen.«
    Harold lauschte Bruder Oswalds gemurmelter Übersetzung mit gerunzelter Stirn und hob dann den Kopf, als wolle er Einspruch erheben. Aber dann

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