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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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besann er sich. Das entging William nicht. Für einen Augenblick lächelte er, zu kurz, um sagen zu können, ob es beschwichtigend oder höhnisch war, dann winkte er einem Diener, der drei Pokale mit Wein auf einem Tablett herbeitrug. Er reichte einen dem Herzog, einen dem Earl of Wessex und einen Guy.
    William hob den Becher seinen Gästen entgegen. »Trinken wir auf das Wohl meines Vetters, des Königs von England.«
    Alle nahmen einen tiefen Zug.
    »Und nun nennt mir die Botschaft, die König Edward mir sendet,Monseigneur«, sagte William. »Der Junge Cædmon soll übersetzen, was Ihr zu sagen habt.«
    Harold hob verwundert die Brauen, nickte aber zustimmend. »Der König, Euer Vetter, ist nicht wohl«, begann er. »Die Jahre der Verbannung lasten ebenso schwer auf ihm wie die Bürde seiner Königswürde und sein entsagungsvolles Leben. Und er hat mich geschickt, solange er noch gesund genug ist, wie er sagt, um Euch zu versichern, daß er zu dem Versprechen steht, das er Euch gab, als Ihr ihn vor gut einem Dutzend Jahren in England aufgesucht habt.«
    William ließ Harold nicht aus den Augen, solange er sprach, und traktierte Cædmon mit dem gleichen, durchdringenden Blick, als der Junge übersetzte.
    »Und wißt Ihr, worum es sich bei diesem Versprechen handelt?« erkundigte sich William.
    Harold nickte langsam. »Ja, Mylord. Er hat es mir gesagt. Edward wünscht, daß Ihr nach ihm König von England werdet.«
    Statt zu übersetzen, starrte Cædmon den Überbringer der Botschaft einen Moment ungläubig an, dann besann er sich und wiederholte seine Worte auf normannisch.
    William streifte den Jungen mit einem Seitenblick. »Du bist verwundert, Cædmon?«
    »Ähm … mehr überrascht, Monseigneur.«
    William nickte. »Ich nehme an, viele Engländer werden überrascht sein.«
    Und viele Engländer werden kein bißchen glücklich sein, dachte Cædmon. Ein Blick auf Harolds Housecarls reichte, um das zu wissen. Aber das sollte schließlich nicht seine Sorge sein. Und er gelobte, seine Empfindungen von nun an besser zu verbergen, wenn er für Harold oder Herzog William übersetzte, nur Mund und Ohr zu sein und nichts sonst. »Und was ist mit Euch, Harold Godwinson?« wollte William wissen. Harold hob leicht die Schultern. »Die Ehe des Königs mit meiner Schwester ist kinderlos. Es gibt niemanden in England, der einen unangefochtenen Anspruch auf den Thron hätte. Ich werde die Entscheidung meines Königs nicht in Frage stellen, sein Wort bindet auch mich.«
    William lauschte aufmerksam, als versuche er, die Wahrheit aus der Betonung der Worte herauszulesen. Dann verschränkte er die Arme. »Das heißt, Ihr erkennt an, daß ich einen rechtmäßigen Anspruch aufEngland habe, wenn die Zeit kommt, einen Nachfolger für meinen Cousin Edward zu finden?«
    »Das erkenne ich an, Mylord.«
    »Ich kann also auf Eure Unterstützung rechnen?«
    Harold nickte. »Und der König hat mich gebeten, gemeinsam mit Euch Schritte zu erwägen, die das Band zwischen England und der Normandie noch fester knüpfen.«
    William lauschte mit gerunzelter Stirn, schien einen Moment nachzudenken und nickte langsam. »Ist Euer König vielleicht der Ansicht, es werde Zeit, daß Ihr heiratet?«
    Harold lächelte und hob vielsagend die Schultern. »Das würde mich nicht wundern.«
    William erwiderte das Lächeln, leerte seinen Becher und stand auf. »Haltet mich nicht für unhöflich, Monseigneur, aber ich bin im Begriff aufzubrechen, um eine unselige Streitigkeit mit einem meiner Nachbarn auszutragen. Morgen bei Tagesanbruch müssen wir ausrücken, wenn wir ihn erreichen wollen, ehe er seine Stellung ausbaut. Bleibt als Gast auf meiner Burg in der Obhut meines Seneschalls, dem es auch eine Freude sein wird, mit Euch zu jagen. Man sagte mir, daß Ihr diesen Sport ebensosehr liebt wie ich.«
    »Das tue ich in der Tat«, stimmte Harold zu. »Aber noch lieber als Wild jage ich die Feinde der Verbündeten meines Königs. Erlaubt mir und meinen Männern, Eure Truppen zu verstärken, Mylord. Ich weiß, es ist überflüssig, aber es wäre uns eine Ehre.«
    William schien nichts anderes erwartet zu haben. Er neigte zustimmend den Kopf. »Dann ist der Sieg uns schon gewiß. Kommt, lernt meine Kommandanten kennen, sie werden Euch unsere Pläne erläutern.« Er legte Harold leicht die Hand auf den Arm und führte ihn zu der Gruppe von Adligen, die in unmittelbarer Nähe gestanden hatten.
    Cædmon folgte, um zu übersetzen, aber Harold schüttelte den Kopf.

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