Das zweite Königreich
mittendurch und warf das Viertel – Farthing genannt – auf den schmuddeligen Tisch. Dann folgte er ihr in den Hof und zum Stall hinüber.
Hyld war schon dabei, ihren sanftmütigen Braunen zu satteln. »Na endlich.«
Erik folgte ihrem Beispiel. »Ich habe kein gutes Gefühl bei dieser Sache, Hyld. Für mich allein wäre es relativ einfach, unbemerkt hineinzugelangen. Jetzt sind so viele Adlige mit ihrem ganzen Gefolge in Britford, daß ein einzelner fremder Mann niemandem auffällt. Aber ein Mädchen?«
»Ich nehme doch an, in der Halle des Königs gibt es Mägde und Köchinnen und so fort?«
»Bestimmt. Aber keine mit einem so guten, kunstvoll bestickten Mantel wie deinem.«
Hyld sah nicht ohne Stolz an ihrem guten Stück hinab. Sie hatte den Wollstoff eigenhändig bestickt. In der ganzen Christenheit und darüber hinaus war englische Stickerei berühmt, und selbst in diesem Land der Meisterinnen wurde Hylds Arbeit allgemein bewundert. Ein Altartuch, das sie mit Goldfäden bestickt und das Guthric als Geschenk für Abt Thurstan mit nach Ely genommen hatte, zierte jetzt die dortige Klosterkirche.
»Nun, ich werde ihn auf keinen Fall zurücklassen. Es muß eben so gehen.«
Erik saß auf. »Na ja. Das wird es wohl auch. Bis wir ankommen, ist es dunkel. Und nachts sind bekanntlich alle Hunde grau.«
»Katzen«, murmelte Hyld und schwang sich in den Sattel.
Sie ritten etwa eine Stunde am Ufer des schönen Flusses Avon entlang und stießen schließlich auf die ersten Zelte der Adligen, die mit ihrem Gefolge keinen Platz in der Halle mehr gefunden hatten. Manche Zelte standen mehr oder minder für sich, andere in Gruppen, von Fackelringen umgeben und bewacht. Hyld und Erik umrundeten siealle im weiten Bogen und kamen ungehindert zum Tor des Palisadenzaunes.
»Wie willst du an den Wachen vorbei?« raunte Hyld.
»Hm.« Erik hielt sein Pferd an. »Du kennst nicht zufällig irgendwen an König Edwards Hof, der mit absoluter Sicherheit zu keinem der politischen Lager gehört?«
»Doch. Meinen Onkel, Athelstan of Helmsby.«
Erik lachte leise. »Der Trunkenbold mit den ewigen Geldnöten? Ich hab von ihm gehört.«
»Er hat beinah sein ganzes Leben in König Edwards Gefolge verbracht. Aber ich glaube, mit Politik hat er nichts im Sinn.«
»Das ist unser Mann.« Erik ritt vor bis ans Tor.
»Wer da?« rief eine junge Soldatenstimme. »Nennt die Losung!«
»Ich kenne sie nicht.« Erik hielt an und wartete, bis der Soldat mit der Fackel nähergetreten war und ihn eingehend begutachten konnte. Dann sagte er: »Ich bin Guthrum Erikson. Ich habe eine Nachricht für Athelstan of Helmsby.«
Der Name rief die übliche Reaktion hervor: der junge Wachsoldat grinste wider Willen. »Dann reite ein, Guthrum Erikson. Aber ich bin nicht sicher, ob du deine Nachricht heute noch an den Mann bringen kannst.«
Hyld und Erik ritten nebeneinander durchs Tor. »Warum?« fragte er. »Weil der fragliche Mann um diese Zeit in der Regel zu betrunken ist, um auch nur ein Wort aufzunehmen, das man zu ihm sagt.« Der Soldat wies auf ein langgezogenes Gebäude, aus dessen spärlichen Fenstern heller Lichtschein drang. »Du findest ihn irgendwo dort drin.«
Erik warf ihm einen Farthing zu. »Danke.«
Hyld wartete, bis sie den dunklen Hof zur Hälfte überquert hatten, ehe sie leise fragte: »Guthrum Erikson?«
»Nun, in Wahrheit ist es umgekehrt, Erik Guthrumson. Aber in diesem Geschäft muß man sich genau überlegen, wem man seinen wirklichen Namen anvertraut.«
»Wie glattzüngig du lügst …«
»Aber ich lüge nie mehr als unbedingt nötig. Komm, da vorn sind ein paar Nebengebäude. Laß uns dahinter verschwinden und überlegen, wie wir weitermachen. Den schwierigsten Schritt haben wir schon hinter uns. Wir sind durchs Tor gekommen, dank Onkel Athelstan.«
»Sei froh, daß du mich mitgenommen hast.«
»Bin ich. Jetzt müssen wir nur noch Tostig Godwinson finden.«
Sie verschwanden im Schatten hinter der Kapelle und saßen ab. Hier war es so finster, daß man die Hand vor Augen kaum sehen konnte. Erik band die Pferde an den unteren Ast einer einsamen Birke, nahm Hylds Arm und führte sie um einen Viehstall herum auf die Halle zu. Diese Halle war kein einräumiges Gebäude mit abgeteilter Schlafkammer wie die in Helmsby, sondern eine königliche Residenz mit einer Vorhalle, einer separaten Küche, Privatgemächern für den König und die Königin und ihre höchsten Gäste. Die Vorhalle war dämmrig; nur ein wenig Licht und
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