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Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Und er hat eine Steuer eingeführt, die kein Mann in Northumbria bezahlen kann.«
    »Unklug«, murmelte Erik. »Aber hat es denn gar keinen Widerstand gegen seinen Sturz gegeben?«
    »Nicht in der Stadt. Nur seine Housecarls haben sich zum Kampf gestellt, als wir Tostigs Schatzkammer aufbrachen. Sie haben erst aufgegeben, nachdem wir zweihundert von ihnen abgeschlachtet hatten, sture dänische Bastarde.«
    Erik rammte ihm den Ellbogen zwischen die Rippen, beinah beiläufig, aber dem Captain blieb die Luft weg. »Ich bin es langsam satt, das zu hören«, murmelte Erik. »Und wenn Ihr unter Earl Morcar Captain der Wache bleiben wollt, solltet ihr lieber lernen, uns Dänen ein bißchen mehr Respekt entgegenzubringen. Morcars Großvater war der letzte von König Knuts Earls. Und wenn Morcar hier herrscht, wird es sein, als sei König Knut zurückgekehrt. Deswegen wolltet ihr ihn doch, oder nicht?« »Du weißt ziemlich gut Bescheid für einen zerlumpten Laufburschen«, brummte der Captain mißtrauisch.
    Hyld sah sich um. Sie waren an einen belebten Marktplatz gekommen, wo Bauern und Marktweiber Käse, Obst, Gemüse und Fisch feilboten. »Komm, Erik«, sagte sie. »Laß uns verschwinden.«
    Er nickte, trat zu ihr und raunte dem Captain von hinten ins Ohr: »Überlegt Euch, ob Ihr ein wildes Geschrei anfangen wollt. Ihr werdet uns doch nicht erwischen, aber Ihr müßtet vermutlich erklären, wie es passieren konnte, daß ein Mädchen Euch mit Eurem eigenen Dolch übertölpelt hat.«
    Der Captain biß knirschend die Zähne zusammen. »Bete, daß wir uns nicht wiedersehen.«
    Erik lachte leise und wechselte einen Blick mit Hyld. Sie nickte, ließ den Dolch los, und dann wandten sie sich ab und rannten.
    Lachend und außer Atem hielten sie am anderen Ende des Marktplatzes an. Erik schlang die Arme um sie, hob sie hoch und wirbelte sie einmal herum, ohne auf die Marktweiber zu achten, die ihn schalten, weil Hylds Röcke ihre Auslage von den Ständen fegten.
    »Oh, Hyld, du steckst voller Überraschungen! Ich dachte schon, es wäre alles verloren, ich würde wieder in irgendeinem finsteren Loch landen, und du wärst allein und verlassen. Wie mutig du bist!«
    Sie lachte, ergab sich einem kleinen, seligen Rausch. »Es war eigentlich ganz einfach. Manchmal ist es eben von Vorteil, wenn man ein Mädchen ist und von niemandem beachtet wird. Er hat mich einfach nicht gesehen.«
    Erik zog sie wieder an sich und küßte sie unter den Beifallsbekundungen, Pfiffen und Anfeuerungen der Marktfrauen. Dann führte er sie zu einem nahen Stand. »Schau her, Hyld, hier gibt es dänischen Met. Nichts, was ihr hier aus Honig braut, kann sich damit messen.«
    Er erstand einen hölzernen Krug und am Nachbarstand zwei fette Pasteten mit Pilzen und Schweinefleisch. Hyld aß und trank dankbar, wandte aber mit vollem Mund ein: »Denkst du nicht, wir sollten ein bißchen sparsamer sein? Was machen wir denn jetzt?«
    Sie gingen eine Gasse hinunter, die so schmal war, daß die vorstehenden Giebel der Häuser beinah zusammenstießen. Der Krug wanderte hin und her. Sie verspeisten ihre Pasteten, und Erik dachte nach.
    »Tja, jetzt hat sich erst einmal alles geändert …«
    »Wie bist du darauf gekommen, dich als Bote meines Vaters auszugeben?«
    »Ich hatte sein Siegel. Ohne irgendeinen Beweis hätte niemand geglaubt, daß irgendwer einen abgerissenen Kerl wie mich als Boten schickt, schon gar nicht der König von Norwegen.«
    »Was hättest du Tostig gesagt?«
    »Weiß der Himmel.«
    Hyld lachte. »Woher hattest du Vaters Siegel, hm?«
    »Er bewahrt den Ring in seiner Truhe auf. Irgendwann, als niemand in der Halle war, bin ich in die Kammer geschlichen und …«
    »Gott, Erik, wenn sie dich erwischt hätten!«
    Er hob lächelnd die Schultern.
    Sie winkte ab. »Hör auf mit diesem Piratengrinsen.«
    »Ich habe Verwandte in York«, bemerkte er beiläufig. »Am besten, wir verkriechen uns ein paar Tage, bis die Lage sich geklärt und der Captain der Wache seinen Zorn vergessen hat und es leid wird, nach uns zu suchen.«
    Sie nickte. »Hoffentlich sind deine Verwandten nicht auf seiten der Aufrührer.«
    »Ähm … es sind Verwandte mütterlicherseits.«
    Hyld verzog das Gesicht. »Norwegisches Thronräuberpack also.«
    »Wenn du so willst.«
    Ein Regentropfen traf sie auf die Nase, und Hyld sah zum verhangenen Himmel auf. »Meinetwegen. Selbst mit norwegischem Thronräuberpack unter einem Dach zu sein ist besser als gar kein Dach.«
    Er nahm ihre Hand.

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