Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zweite Königreich

Das zweite Königreich

Titel: Das zweite Königreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
Unterleib.
    »Wenn das wahr ist, wird es heute nacht eine Witwe mehr in England geben.«
    Erik lag zusammengekrümmt am Boden. Er konnte nicht antworten. Hyld machte einen Schritt auf ihn zu, aber einer der Wachsoldaten nahm ihren Arm – beinah sanft – und brachte sie zur Tür. Über die Schulter sah sie noch einmal zu Erik, und ihre Blicke trafen sich. Dann schob ihr Bewacher sie in die Dunkelheit hinaus. Hyld stolperte, stützte sich einen Moment an der Bretterwand ab und atmete tief durch. Sie mußte nachdenken. Schnell. Drinnen fiel ein dumpfer Schlag.
    Der Soldat nahm wieder ihren Arm. »Komm hier weg. Besser so, glaub mir.« Er führte sie Richtung Halle zurück. »Ich bring’ dich erst mal in die Küche. Wir werden sehen, ob wir nicht einen Becher Wein für dich finden.« Er sprach zu ihr, als sei sie ein verstörtes Kind.
    Hyld schüttelte den Kopf und blieb stehen. »Nein, bitte … Ich möchte in die Kapelle. Ich will Gott bitten, daß er Dunstan zur Besinnung bringt.«
    »Da sehe ich schwarz. Aber wenn du möchtest, bringe ich dich selbstverständlich zur Kapelle.«
    »Ich finde sie schon allein.«
    »Bestimmt. Aber ich denke, ich sollte dich lieber nicht aus den Augen lassen. Woher kennst du Dunstan überhaupt, hm?«
    »Er … Ich bin seine Schwester. Oder zumindest war ich das einmal.«
    Ihr junger Bewacher blieb stehen. »Also du bist Hyld of Helmsby? Ich hab’s mir beinah schon gedacht. Paß bloß auf, daß du deinem Vater nicht über den Weg läufst.«
    Hyld wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und schluckte. »Ist er hier?«
    »Nein. Er hat den Earl of Wessex nach Oxford begleitet. Aber sie können jederzeit zurückkommen.«
    »Ich wünschte, er wäre hier«, sagte sie leise. »Ich weiß, er würde mir helfen.«
    »Du irrst dich. Er hat beinah den Verstand verloren, als dein Bruder Guthric ihm erzählt hat, was du getan hast. Dann hat er Guthric windelweich geprügelt, weil er dich hat gehen lassen, und als die Mönche dazwischengingen, hat er einem von ihnen auch eins verpaßt, und jetzt hat er eine sehr unangenehme Klage am Hals.«
    »Oh, Guthric …« Hyld biß die Zähne zusammen und atmete tief durch. Sie konnte es sich jetzt einfach nicht leisten, die Beherrschung zu verlieren, mit ihrem Kummer mußte sie sich später befassen. »Woher … woher weißt du das alles?«
    »Mein Vater hat’s mir erzählt. Athelstan of Helmsby.«
    »Onkel Athelstan? Dann bist du mein Vetter? Wie heißt du?«
    »Alfred. Aber ich bin nicht dein Vetter. Er ist nicht dein Onkel. Du hast keine Familie mehr, Hyld. Du bist wirklich ein ganz armes Schwein. Ich möchte ehrlich nicht mit dir tauschen.«
    Hyld stand reglos vor ihm und ließ den Kopf hängen. Dann trat sie so unvermittelt zu, daß er nicht ausweichen konnte. Alfred riß die Hände vor den Schritt und brach jaulend zusammen.
    Hyld sah noch einen Moment auf ihn hinab. »Ich finde, du bist auch nicht gerade zu beneiden, Vetter Alfred.«
    Dann machte sie kehrt und rannte zur Halle. Der Wachsoldat, den Dunstan im Vorraum zurückgelassen hatte, erkannte sie nicht wieder; er hatte vorhin nur Augen für Erik und Dunstan gehabt. Hyld stürmte an ihm vorbei in die von zahllosen Fackeln und Kerzen erhellte Halle. Nur aus dem Augenwinkel nahm sie die prunkvollen Wandbehänge und schneeweißen Tischtücher, die feinen Kleider der Männer und Frauen wahr. Sie ließ den Blick die langen Tische entlang über ihre Gesichter wandern, aber sie entdeckte niemanden, der Harold Godwinson auch nur entfernt ähnlich sah, und ihr Onkel schien ebenfalls nicht hier zu sein. Verzweifelt hielt sie einen jungen Pagen an, der einen Weinkrug hereinbrachte. »Earl Tostig? Wo finde ich ihn?«
    »Ich nehme an, in seinem Gemach.«
    »Bring mich hin.«
    »Aber …«
    Hyld nahm mit der Linken seinen Arm, zückte mit der Rechten ihren Dolch und bohrte ihm die Spitze unauffällig in die Nierengegend. Es hatte einmal geklappt, es würde wieder funktionieren. »Bring mich hin, oder ich stech’ dich hier und jetzt ab, ich schwör’s«, zischte sie. Der Page hatte keine Mühe, ihr zu glauben. Mitsamt seinem Krug führte er sie auf die gegenüberliegende Stirnseite der Halle, durch eine Tür, eine hölzerne Treppe hinauf und in einen dämmrigen Korridor bis zu einer Tür ganz hinten. »Da drin. Warte, bis ich verschwunden bin, ehe du anklopfst, ich will keinen Ärger.«
    Hyld nickte knapp. »Dann scher dich weg.«
    Das ließ der Junge sich nicht zweimal sagen. Hyld ließ ihm soviel

Weitere Kostenlose Bücher