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Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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Krankenschwester, die in völliger Dunkelheit sehen konnte …
    Die rapide absinkende Geburtenrate war schon vor Ross’ Krankheit das Hauptproblem der Menschheit gewesen, und die Berichte zeigten, daß sich die Entwicklung auf noch fatalere Weise vollzogen hatte, als man damals anzunehmen wagte. Personalmangel war das beherrschende Thema der Aufzeichnungen. War menschliches Leben so selten geworden, daß man den Begriff weiter gefaßt hatte?
    Fruchtbar gebliebene Mutationen! dachte Ross. War dies die Erklärung für die Nachtsicht der Schwester und der Grund dafür, daß sie sich in der Dunkelheit vor ihm verbarg? Wollte man ihn vorsichtig auf das vorbereiten, was aus der menschlichen Rasse geworden war? Je mehr Ross darüber nachdachte, desto sicherer wurde er. So mußte es sein. Deshalb zeigte sich niemand.
    Es fiel Ross nicht leicht, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, doch nach einer Weile fühlte er sich stark genug, um der Wahrheit ins Auge zu sehen. Vielleicht würde er bei dem Anblick der Mutanten erschrecken, aber er hatte den Trost, daß es außer ihm noch einige andere Tiefschläfer geben mußte – wirkliche Menschen, und vielleicht war Alice dabei.
    Aber da waren immer noch die Alpträume, die nicht ins Bild passen wollten. Er erinnerte sich genau an zwei Schreckensvisionen, beide völlig identisch, und die Träume waren nach seinem Erwachen gekommen. Dicke Metallbänder, die seinen Kopf, die Brust und den Unterleib zu zerdrücken drohten, und andere, die sich ins Fleisch von Armen und Beinen schnitten. Ross sah sich wieder, wie er sich gegen den furchtbaren Druck aufbäumte und zu sehen und hören versuchte, wie er verzweifelt nach Luft schnappte. Alles, was er wahrgenommen hatte, war ein unregelmäßiges Ticken gewesen …
    Ross hatte Angst vor dem Einschlafen, und er wußte, daß sich dies solange nicht ändern würde, wie er keine Gewißheit über die Träume hatte.
    Erst nach Stunden siegte die Erschöpfung über die Angst.
     
4.
     
    Ross war hungrig, als er aufwachte. Er nahm vorsichtig die Nahrungskonserven und hatte Glück, daß nur eine von ihnen verdorben war. Danach ging er zum Schrank, um sich endlich etwas anzuziehen. Er war entschlossen, alle Räume der Abteilung zu durchsuchen, bis er den diensttuenden Arzt oder eine Schwester gefunden hatte. Dann wollte er ihnen nicht als lebendes Gerippe gegenüberstehen. Das Ankleiden stellte ihn jedoch vor Probleme.
    Socken und Unterwäsche zerfielen in seinen Händen zu Staub, und das Hemd riß in Stücke, als er versuchte, es sich über den Kopf zu ziehen. Das Material der Schuhe war hart wie Stein. Die Hose war noch zu gebrauchen. Sie bestand nicht aus Plastik, sondern ganz aus Wolle – ein Luxusgegenstand zu der Zeit, da er sie gekauft hatte. Doch der Gürtel riß ebenfalls, und seine Hüften waren viel zu schmal, um die Hose zu halten. Ross fluchte und kam sich lächerlich vor.
    Ärgerlich durchsuchte er die anderen Wandschränke und fand einige Bettlaken aus Plastikgewebe. Sie waren zumindest stabil. Ross riß mit den Zähnen ein Loch in die Mitte eines Tuchs und schob seine Finger hinein. Er zerrte so lange, bis das Loch groß genug war, um das Laken über den Kopf ziehen zu können. Es fiel wie ein weiter weißer Umhang über Ross’ Schultern und reichte fast bis zu den Knien. Ross machte seine Arme frei und riß einen Kissenbezug in Streifen. Einen band er sich um die Hüften, zwei andere befestigte er so an den Schuhen und seinen Knöcheln, daß die Schuhe am Fuß hielten. Ross sah sich im Spiegel des Wandschranks, fluchte wieder und schnitt eine Grimasse. Dann machte er sich auf den Weg.
    Diesmal brauchte er sich nicht mehr an den Wänden abzustützen. Er konnte gehen, doch als er begann, die Rampe am Ende des Korridors hinaufzusteigen, sah er plötzlich schwarze Punkte vor den Augen. Schwindel übermannte ihn, und er erkannte, daß er schon wieder zu hastig vorging. Wenn er überhaupt etwas erreichen wollte, mußte er vorsichtiger sein und sich Zeit lassen. Also wartete er einige Minuten, dann kroch er auf allen vieren weiter, bis er die nächsthöhere Etage erreichte. Er sah einen langen, hellerleuchteten Korridor, an dessen Ende zwei Gänge abzweigten. Alles war vollkommen sauber und blank – steril und verlassen. Kein Zeichen von Leben. Das einzige Geräusch, das Ross hören konnte, war das seiner eigenen Atemzüge. Er öffnete die Türen der Reihe nach.
    Als er die Abzweigung erreichte, war er innerlich aufgewühlt. Alle

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