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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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man mit Geld
und Drogen bezahlte. An beiden war kein Mangel, seit diese vergnügungssüchtigen Neureichen in den
Norden gezogen waren.
Hyde's Club. Benannt nach Robert Louis Stevensons Schurken Edward Hyde, der dunklen Seite der
menschlichen Seele. Die Figur des Mr. Hyde basierte auf Deacon Brodie, einem Einwohner der Stadt,
der tagsüber Geschäftsmann und nachts Räuber gewesen war. Rebus konnte in dem großen Raum
Schuldgefühle, Angst und Sensationsgier riechen.
Erkalteter Zigarrenrauch, verschütteter Whisky, vergossener Schweiß.
Doch es gab da immer noch eine Frage, die beantwortet werden musste.
War Ronnie dafür bezahlt worden, die Reichen und Einflussreichen zu fotografieren ­ ohne dass sie
das merkten natürlich? Oder hatte er auf eigene Faust gehandelt, war als Punchingball hierher
bestellt worden, aber geschickt genug gewesen, eine versteckte Kamera mitzubringen?
Die Antwort war vielleicht gar nicht wichtig. Entscheidend war, dass der Besitzer des Clubs, der
Mann, der mit diesen niederen Instinkten spielte, Ronnie umgebracht hatte. Er hatte dafür
gesorgt, dass er keinen Stoff mehr bekam, und ihm dann Rattengift gegeben. Er hatte einen seiner
Helfershelfer zu dem besetzten Haus geschickt, damit der dafür sorgte, dass es wie ein simpler
Fall von Überdosis aussah. Deshalb hatten sie den erstklassigen Stoff bei Ronnie gelassen. Und um
eine falsche Spur zu legen, hatten sie die Leiche nach unten gebracht und die Kerzen aufgestellt.
Hielten dieses Szenario für besonders schockierend. Nur hatten sie im Kerzenlicht das Pentagramm
an der Wand gar nicht gesehen, also hatte es nichts weiter bedeutet, dass sie die Leiche auf
diese besondere Art drapiert hatten.
Rebus hatte von Anfang an den Fehler gemacht, zu viel in die Situation hineinzulesen. Er selbst
hatte das Bild verwischt, indem er Verbindungen sah, wo keine waren, ein Komplott und eine
Verschwörung vermutet, die nicht existierten. Das wahre Komplott war viel größer, ein Heuhaufen
gegen eine Nadel.
»Finlay Andrews!« Die Worte hallten von den Wänden wider und verklangen ungehört im Raum. Rebus
zog sich hinauf in den Boxring und betrachtete von dort die Stühle. Er konnte die glänzenden und
selbstgefälligen Gesichter der Zuschauer fast sehen. Der mit Segeltuch bespannte Boden des Rings
war mit braunen Flecken gesprenkelt ­ getrocknetes Blut. Das hier war natürlich längst nicht
alles. Schließlich gab es ja noch die »Gästezimmer« und die verschlossenen Türen, hinter denen
»Privatspiele« gespielt wurden. Ja, er konnte sich das ganze Sodom vorstellen, das ­ nach James
Carews privatem Terminkalender zu urteilen ­ jeden dritten Freitag im Monat hier stattfand. Junge
Männer wurden vom Calton Hill geholt, um die Kunden zu bedienen. Auf einem Tisch, im Bett, wo
auch immer. Und Ronnie hatte das möglicherweise alles fotografiert. Aber Andrews hatte
herausgefunden, dass Ronnie einige Fotos als eine Art Lebensversicherung irgendwo versteckt
hatte.
Er konnte natürlich nicht wissen, dass sie als Erpressungsmittel oder als Beweismaterial
praktisch wertlos waren. Er wusste nur, dass sie existierten.
Rebus kletterte aus dem Ring und ging an den Stuhlreihen vorbei. An der Rückwand der Halle, mehr
oder weniger im Dunkeln, waren zwei Türen. Er lauschte erst an der einen, dann an der anderen.
Keinerlei Geräusche, trotzdem war er sich sicher... Er wollte gerade die linke Tür öffnen, doch
irgendetwas, ein Instinkt vielleicht, veranlasste ihn, die rechte Tür zu wählen. Er zögerte kurz,
dann drehte er den Knauf und drückte gegen die Tür.
Gleich neben der Tür war ein Lichtschalter. Rebus betätigte ihn, und zwei zierliche Lampen zu
beiden Seiten eines Betts gingen an. Das Bett stand an einer Seitenwand. Sonst war nicht viel in
dem Zimmer, abgesehen von zwei großen Spiegeln, einer an der Wand gegenüber dem Bett und einer
über dem Bett. Als Rebus darauf zuging, fiel die Tür klickend hinter ihm ins Schloss. Ihm war
zuweilen von seinen Vorgesetzten vorgeworfen worden, er hätte eine zu lebhafte Fantasie.
Doch in diesem Augenblick schaltete er seine Fantasie völlig aus. Halt dich an die Tatsachen,
John. An das Bett und an die Spiegel. Die Tür klickte erneut. Mit einem Satz war er dort und
zerrte an dem Knauf, doch der bewegte sich nicht. Die Tür war fest verschlossen.
»Scheiße!« Er ging einen Schritt zurück und trat mit dem Absatz seines Schuhs unten gegen die
Tür. Die Tür zitterte, aber sie hielt.

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