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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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versuchte er sich vorzustellen, wie Ronnie wieder zu sich kam und es irgendwie
bis ins Erdgeschoss schaffte.
Möglich. So eben noch möglich. Aber in einer solchen Position zu sterben...? Das war schon sehr
viel unwahrscheinlicher.
Und warum sollte er das Glas mit den Spritzen mit nach unten nehmen? Rebus nickte vor sich hin,
überzeugt, dass er einen Faden gefunden hatte, der ihn durch dieses Labyrinth führen könnte. Er
ging wieder hinunter ins Wohnzimmer. Hier roch es wie verschimmelte Marmelade, erdig und süß
zugleich. Das Erdige steril, die Süße widerlich. Er ging zu der hinteren Wand und leuchtete sie
mit der Taschenlampe ab.
Es traf ihn wie ein Schlag. Blut hämmerte in seinen Schläfen. Die Kreise waren immer noch da,
auch der fünfzackige Stern in ihrem Zentrum. Aber es waren noch weitere Bilder hinzugekommen,
Tierkreiszeichen und andere Symbole waren in Rot zwischen die beiden Kreislinien gemalt. Er
berührte die Farbe. Sie war klebrig. Er zog die Hand zurück, leuchtete ein Stück weiter die Wand
hinauf und las die noch feuchte Botschaft:

HALLO RONNIE

Rebus, abergläubisch bis ins Mark, machte auf dem Absatz kehrt und floh, ohne die Tür hinter sich
wieder abzuschließen. Während er mit raschen Schritten zu seinem Auto ging, den Blick nach hinten
auf das Haus gewandt, stieß er mit jemandem zusammen und geriet ins Stolpern.
Die andere Gestalt fiel unbeholfen hin und rappelte sich nur langsam wieder hoch. Rebus schaltete
seine Taschenlampe an und fand sich einem Jungen mit funkelnden Augen gegenüber. Sein Gesicht war
übel zugerichtet.
»O Gott«, flüsterte er, »was ist denn mit dir passiert?«
»Ich bin zusammengeschlagen worden«, sagte der Junge und schlurfte mit seinem offensichtlich
schmerzenden Bein davon.
Rebus schaffte es irgendwie bis zum Auto, mit den Nerven völlig am Ende. Er stieg ein und
verriegelte die Tür. Dann lehnte er sich zurück, schloss die Augen und atmete tief durch.
Beruhige dich, John, ermahnte er sich. Beruhige dich. Kurz darauf war er sogar in der Lage, über
seinen Anflug von Panik zu schmunzeln. Morgen würde er wiederkommen. Bei Tageslicht.
Für heute hatte er genug gesehen.
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DIENSTAG
    Aber seit jener Zeit habe ich Grund zu glauben, dass die Ursache viel tiefer in der Natur des
Menschen begründet liegt, und Grund, edlere Beweggründe zu vermuten als das Prinzip des
Hasses.

Der Schlaf wollte sich nur schwer einstellen, aber schließlich musste er in seinem
Lieblingssessel eingedöst sein, denn erst ein Anruf um neun Uhr erweckte ihn wieder zum Leben. In
seinem Schoß lag noch immer ein aufgeschlagenes Buch.
Rücken, Arme und Beine waren steif und taten ihm weh, als er auf dem Fußboden nach seinem neuen
schnurlosen Telefon tastete.
»Ja?«
»Hier ist das Labor, Inspector Rebus. Sie wollten als Erster benachrichtigt werden.«
»Was haben Sie festgestellt?« Rebus ließ sich wieder in den warmen Sessel sinken und zog mit der
freien Hand an seinen Augen herum, um sie bereit zu machen für die neu erwachende Welt. Dann sah
er auf die Uhr und stellte fest, wie lange er geschlafen hatte.
»Also, es ist nicht gerade das reinste Heroin im Umlauf.«
Er nickte vor sich hin, zuversichtlich, dass er die nächste Frage eigentlich gar nicht zu stellen
brauchte. »Wäre es tödlich für denjenigen, der es spritzt?«
Die Antwort riss ihn fast aus dem Sessel.
»Ganz und gar nicht. Es ist alles in allem betrachtet sogar recht sauber. Ein bisschen verdünnt,
aber das ist nicht ungewöhnlich. Das ist sogar notwendig.«
»Aber man könnte es durchaus benutzen?«
»Ich denke, man könnte es sehr gut benutzen.«
»Ich verstehe. Vielen Dank.«
Rebus drückte die Trenntaste. Er war so sicher gewesen. So sicher...
Er griff in seine Tasche, fand die Nummer, die er suchte, und gab rasch die sieben Ziffern ein,
bevor der Gedanke an den Morgenkaffee ihn davon abhalten konnte.
»Inspector Rebus. Ich möchte Doctor Enfield sprechen.« Er wartete.
»Doctor? Danke gut. Und Ihnen? Fein. Hören Sie, diese Leiche gestern, dieser Drogentote in der
Siedlung in Pilmuir, gibt's was Neues?« Er hörte zu. »Ja, ich bleib dran.«
Pilmuir. Was hatte Tony McCall gesagt? Es war früher sehr schön gewesen, ein Ort der Unschuld,
irgend so was. Aber das waren die alten Zeiten doch immer oder? Die Erinnerung glättete die rauen
Kanten, wie Rebus nur zu gut wusste.
»Hallo?«, sagte er zu dem Telefon. »Ja, das ist richtig.« Im Hintergrund raschelte Papier.
Enfields Stimme

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