Das zweite Zeichen
Ich muss die Jungs und Mädels im Auge behalten.«
»Genau deshalb wollte ich dich sprechen.«
»Ach ja?«
Rebus war auf dem Bürgersteig weitergegangen, und McCall, der sich immer noch nicht von dem
Schreck über sein plötzliches Auftauchen erholt hatte, folgte ihm.
»Ja«, sagte Rebus. »Ich wollte dich fragen, ob du eine bestimmte Person kennst, einen Freund des
Toten. Der Name ist Charlie.«
»Mehr weißt du nicht? Charlie?« Rebus zuckte die Achseln. »Wie sieht er aus?«
Rebus zuckte erneut die Achseln. »Keine Ahnung, Tony. Ronnies Freundin Tracy hat mir von ihm
erzählt.«
»Ronnie? Tracy?« McCalls Augenbrauen berührten sich. »Wer zum Teufel sind diese Leute?«
»Ronnie ist der Tote. Dieser Junkie, den wir in der Siedlung gefunden haben.«
Plötzlich ging McCall ein Licht auf. Er nickte bedächtig. »Du arbeitest schnell«, sagte er.
»Je schneller, desto besser. Ronnies Freundin hat mir eine interessante Geschichte
erzählt.«
»Ja?«
»Sie hat gesagt, Ronnie wäre ermordet worden.« Rebus ging immer weiter, aber McCall war stehen
geblieben.
»Augenblick mal!« Er holte Rebus ein. »Ermordet? Na hör mal, John, du hast den Typ
gesehen.«
»Wohl wahr. Mit einer Ladung Rattengift im Blut.«
McCall stieß einen leisen Pfiff aus. »Mein Gott.«
»Ganz genau«, sagte Rebus. »Und jetzt muss ich mit Charlie reden. Er ist noch jung, hat
vermutlich Angst und interessiert sich für Okkultismus.«
McCall ging in Gedanken einige Akten durch. »Ich wüsste schon ein oder zwei Stellen, wo wir es
versuchen könnten«, sagte er schließlich.
»Aber das ist eine harte Sache. Man hält hier nicht viel von der Polizei als Freund und
Helfer.«
»Du meinst, man würde uns nicht gerade mit offenen Armen empfangen?«
»So ungefähr.«
»Dann gib mir doch einfach die Adressen und sag mir, wo ich hin muss. Schließlich ist das dein
freier Tag.«
McCall wirkte gekränkt. »John, du vergisst, dass das mein Revier ist. Normalerweise wär das auch
mein Fall, wenn es sich denn überhaupt um ein Verbrechen handelt.«
»Es wär dein Fall gewesen, wenn du nicht so verkatert gewesen wärst.« Sie grinsten darüber, doch
Rebus fragte sich, ob es überhaupt zu einer Ermittlung gekommen wäre, wenn Tony der
Verantwortliche gewesen wäre. Hätte Tony die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen? Sollte
er, Rebus, die Sache nicht auch auf sich beruhen lassen?
»Wie dem auch sei«, sagte McCall wie aufs Stichwort, »du hast doch bestimmt was Besseres zu
tun.«
Rebus schüttelte den Kopf. »Nein. Mein ganzer Mist ist sozusagen auf andere Äcker verteilt
worden.«
»Redest du von Superintendent Watson?«
»Er will, dass ich bei seiner Anti-Drogen-Kampagne mitarbeite. Ausgerechnet ich.«
»Das könnte ein bisschen peinlich werden.«
»Ich weiß. Aber dieser Idiot meint, ich hätte >persönliche Erfahrungen
»Da hat er wohl nicht so ganz Unrecht.« Rebus wollte gerade widersprechen, doch McCall ließ ihn
nicht zu Wort kommen. »Dann hast du also nichts zu tun?«
»Nicht bis ich von Farmer Watson herbeizitiert werde.«
»Du verdammter Glückspilz. Nun ja, das ändert die Dinge ein wenig, aber nicht grundlegend. Du
begleitest mich hier lediglich und musst mich schon ertragen. Das heißt, bis ich anfange, mich zu
langweilen.«
Rebus lächelte. »Danke, Tony.« Er schaute sich um. »Also, wohin als Erstes?«
McCall wies mit dem Kopf in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. Also machten sie
kehrt und gingen zurück.
»Jetzt erzähl mir doch mal«, sagte Rebus, »was bei dir zu Hause so furchtbar ist, dass du an
deinem freien Tag hierher kommst?«
McCall lachte. »Ist das so offensichtlich?«
»Nur für jemanden, der schon mal dort war.«
»Ach, ich weiß nicht, John. Ich scheine doch alles zu haben, was ich nie gewollt habe.«
»Und es ist immer noch nicht genug.« Das war eine einfache Feststellung.
»Ich meine, Sheila ist eine wunderbare Mutter und alles, und die Kinder machen nie Ärger,
aber...«
»Der Rasen vom Nachbarn ist immer grüner«, sagte Rebus und dachte an seine eigene gescheiterte
Ehe, daran, wie er immer in eine kalte Wohnung heimkehrte und die Tür mit einem hohlen Geräusch
hinter ihm zufiel.
»Ich hab immer gedacht, Tommy, mein Bruder, der hätte es geschafft. Reichlich Geld, ein Haus mit
Whirlpool, eine sich automatisch öffnende Garage...« McCall sah, dass Rebus grinste, und grinste
selber.
»Elektrische Jalousien«, fuhr Rebus fort, »persönliches Nummernschild, Autotelefon...«
»Anteil
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