Dass du ewig denkst an mich
wirklich noch kein Beweis dafür, daß sie diese
Briefe verfaßt hatte.«
Und jetzt sind die der Meinung, ich hätte vielleicht etwas in
Gang gebracht, das unangenehme Folgen für das College
haben kann, dachte Allan. Großartig. Wie verhalte ich mich
jetzt ihr gegenüber bis zum Semesterende in den Vorlesungen?
Könnte es vielleicht doch sein, daß ich mich geirrt habe?
Während er die Pizza aus der Mikrowelle nahm, sagte er
laut: »Ich kann mich unmöglich irren. Laurie hat diese Briefe
geschrieben.«
Karen rief um acht an. »Liebling, ich habe an dich gedacht.
Wie war’s denn?«
»Nicht besonders, muß ich sagen.« Sie unterhielten sich
zwanzig Minuten lang. Als sie schließlich auflegten, fühlte
Allan sich erleichtert.
Um halb elf klingelte das Telefon erneut. »Ich bin schon
okay«, sagte er. »Ich bin froh, daß nun alles auf dem Tisch
liegt. Ich werde jetzt eine Schlaftablette nehmen und zu Bett
gehen. Bis morgen.« Dann fügte er hinzu: »Ich liebe dich.« Er
drückte den SLEEP-Knopf auf dem Radio und schlief sofort
ein.
Allan Grant hörte die leisen Schritte nicht, nahm die Gestalt
nicht wahr, die sich über ihn beugte, und wachte nicht auf, als
das Messer sich in sein Herz bohrte. Im nächsten Augenblick
dämpfte das Rascheln der Vorhänge das würgende Keuchen,
das sich seiner Kehle entrang, als er starb.
41
Es war wieder der Traum mit dem Messer, aber diesmal war er
anders. Das Messer kam nicht auf sie zu. Sie hielt es in der
Hand und bewegte es auf und ab, auf und ab. Laurie fuhr im
Bett hoch, preßte sich die Hand über den Mund, um nicht laut
aufzuschreien. Ihre Hand fühlte sich klebrig an. Warum? Sie
blickte an sich herab. Warum trug sie immer noch Jeans und
Jacke? Warum waren sie so verschmiert? Ihre linke Hand
berührte etwas Hartes. Sie schloß die Finger darum und spürte
einen schneidenden Schmerz. Warmes, feuchtes Blut rann über
ihre Handfläche.
Sie stieß die Bettdecke von sich. Das Tranchiermesser lag
halb versteckt unter ihrem Kopfkissen, und die Laken waren
mit eingetrocknetem Blut besudelt. Was war geschehen? Wann
hatte sie sich geschnitten? Hatte sie so sehr geblutet? Warum
hatte sie das Messer aus dem Schrank geholt? Träumte sie
immer noch?
Du darfst keine Minute verschwenden! schrie eine Stimme.
Wasch dir die Hände! Wasch das Messer ab! Versteck es im
Schrank! Tu, was ich dir sage! Beeil dich! Nimm deine Uhr ab!
Und das Armband in deiner Tasche, das mußt du auch
waschen.
Wasch das Messer ab! Sie rannte ins Badezimmer, drehte die
Wasserhähne in der Wanne auf und hielt das Messer unter das
laufende Wasser.
Leg es in den Schrank! Sie rannte ins Schlafzimmer zurück. Wirf deine Uhr in die Schublade! Runter mit den Kleidern!
Zieh das Bett ab! Wirf alles in die Wanne!
Laurie taumelte ins Badezimmer, legte den Duschhebel um
und warf das Bettzeug in die Wanne. Dann zog sie sich aus,
warf ihre Kleider ins Wasser und starrte auf die sich rot
färbende Brühe.
Sie stieg in die Wanne. Die Bettlaken blähten sich unter
ihren Füßen. Hastig schrubbte sie das klebrige Zeug von
Händen und Gesicht. Die Schnittwunde an ihrer Handfläche
blutete immer noch, selbst als sie sie mit einem Waschlappen
verband. Dann stand sie minutenlang mit geschlossenen Augen
da und ließ sich das Wasser über Haar, Gesicht und Körper
laufen. Sie fröstelte, obwohl das Badezimmer sich mit Dampf
füllte.
Schließlich stieg sie aus der Wanne, wand sich ein Handtuch
ums Haar, schlüpfte in den langen Frotteemantel und zog den
Stöpsel aus der Wanne. Sie wusch ihre Kleider und das
Bettzeug, bis das Wasser wieder klar war.
Sie stopfte alles in einen Wäschesack, zog sich an und ging
zu dem Trockner im Kellergeschoß. Dort wartete sie, während
der Trockner lief. Als er abgeschaltet hatte, faltete sie die
Laken und die Kleider ordentlich zusammen und trug sie in ihr
Zimmer zurück.
Jetzt mußt du das Bett neu machen und hier verschwinden!
Geh in deine erste Vorlesung und bleib ruhig. Diesmal steckst
du wirklich im Schlamassel.
Das Telefon klingelte. Geh nicht ran! Das ist wahrscheinlich
Sarah.
Als sie über den Campus ging, begegnete sie einer Gruppe
von Studentinnen und Studenten; eine Kommilitonin versuchte
ihr klarzumachen, in ihrem Fall handle es sich ganz eindeutig
um sexuelle Belästigung und sie solle Professor Grant
unbedingt anzeigen. Eine Gemeinheit sei das, sie so zu
beschuldigen.
Sie nickte geistesabwesend und fragte sich, wer
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