Dass du ewig denkst an mich
hellblaues
Leinenkostüm, das ihre zarte Schönheit unterstrich. Sie sah
eher wie achtzehn als wie zweiundzwanzig aus, als sie mit
leiser, aber fester Stimme die Fragen des Richters
beantwortete. Sarah wirkte noch zerbrechlicher als ihre
Schwester, dachte Justin. Ihr dunkelrotes Haar hob sich wie
eine Flamme vor ihrem hellgrauen Blazer ab, der ihr irgendwie
zu groß zu sein schien, und er fragte sich, wieviel sie wohl
abgenommen haben mochte, seit dieser Alptraum angefangen
hatte.
Während Laurie die Fragen des Richters beantwortete,
schien der ganze Gerichtssaal von tiefer Hoffnungslosigkeit
erfüllt. Ja, sie hätte verstanden, was ihr Schuldbekenntnis
bedeutete. Ja, sie hatte sich gründlich mit dem Beweismaterial
befaßt. Ja, sie und ihre Anwältin waren überzeugt, daß sie
Allan Grant in einem Anfall von Wut und Leidenschaft getötet
hatte, nachdem er ihre Briefe der Schulverwaltung
ausgehändigt hatte. Und dann schloß sie mit den Worten: »Das
Beweismaterial hat mich überzeugt, daß ich dieses Verbrechen
begangen habe. Ich kann mich an überhaupt nichts erinnern,
weiß aber, daß ich schuldig sein muß. Es tut mir so schrecklich
leid. Er war so gut zu mir. Als er diese Briefe der Verwaltung
übergab, hat mich das sehr verletzt, und ich war zornig; aber
das lag daran, daß ich mich überhaupt nicht daran erinnern
konnte, sie geschrieben zu haben. Ich möchte mich bei
Professor Grants Freunden und Studenten und seinen Kollegen
und Kolleginnen entschuldigen. Ich werde das nie
wiedergutmachen können und weiß, daß sie meinetwegen
einen wunderbaren Menschen verloren haben.« Sie wandte sich
Karen Grant zu. »Es tut mir wirklich sehr, sehr leid. Wenn ich
es könnte, würde ich gern mein Leben hingeben, um Ihnen
Ihren Mann zurückzubringen.«
Der Richter setzte als Termin für die Urteilsverkündung den
31. August fest. Sarah schloß die Augen. Es ging alles so
schrecklich schnell. Vor weniger als einem Jahr hatte sie ihre
Eltern verloren, und jetzt sollte ihr auch noch die Schwester
genommen werden.
Ein Beamter führte sie zu einem Seitenausgang, wo die
Reporter sie nicht belästigen konnten. Sie fuhren schnell weg.
Gregg saß am Steuer, Brendon neben ihm, Justin hatte sich
neben Laurie und Sarah auf den Rücksitz gezwängt. Plötzlich
sagte Laurie: »Ich möchte zu Professor Grants Haus fahren.«
»Du hast dich doch dagegen gesträubt, dorthin zu gehen.
Warum willst du das jetzt plötzlich?« fragte Sarah.
Laurie preßte sich die Hände an den Kopf. »Als ich im
Gerichtssaal vor dem Richter stand, dröhnten die Gedanken
wie Trommeln in meinem Kopf, und ein kleiner Junge schrie
immer wieder, ich sei eine Lügnerin.«
Gregg wendete vorschriftsmäßig auf der Straße. »Ich weiß,
wo das Haus ist.«
Die Tafel eines Immobilienmaklers steckte im Rasen. Das
weiße, im Ranchstil gehaltene Haus wirkte leer und verlassen,
und der Rasen war ungemäht. Zwischen den Büschen sproß
Unkraut. »Ich will hinein«, sagte Laurie.
»Da ist eine Telefonnummer der Maklerfirma angegeben«,
meinte Moody und deutete auf die Tafel. »Wir könnten anrufen
und fragen, ob sie uns einen Schlüssel geben.«
»Das Schloß an der Schiebetür hinten am Arbeitszimmer
schließt nicht«, sagte Laurie, und dann lachte sie glucksend.
»Ich muß das ja schließlich wissen. Ich habe die Tür oft genug
aufgemacht.«
Sarah lief es eisig über den Rücken, als ihr klar wurde, daß
Leona es war, die gelacht hatte.
Sie folgten ihr stumm, als sie sie um das Haus herum auf die
mit Natursteinen belegte Terrasse führte. Eine Reihe
hochgewachsener immergrüner Büsche schirmte die Terrasse
von der Straße ab. Leona hatte in ihren Briefen an Allan Grant
mehrfach erwähnt, daß sie ihn durch diese Tür beobachtet
hätte. Kein Wunder, daß sie nicht von Passanten bemerkt
worden war.
»Man meint zunächst, sie sei abgesperrt, aber man muß nur
ein wenig daran rütteln…« Die Tür öffnete sich, und Leona trat
ein.
Das Zimmer roch muffig. Ein paar Möbelstücke standen
ungeordnet herum. Leona zeigte auf einen alten Ledersessel
mit einem Schemel davor. »Das war sein Lieblingssessel.
Manchmal ist er ein paar Stunden auf dem Stuhl gesessen. Ich
habe ihn gern dabei beobachtet und mich manchmal, nachdem
er zu Bett gegangen war, auf dem Stuhl zusammengekuschelt.«
»Leona«, sagte Justin, »Sie sind doch in der Nacht, in der
Allan Grant starb, umgekehrt, um Ihre Handtasche zu holen.
Debbie hat uns
Weitere Kostenlose Bücher