Dass du ewig denkst an mich
»Ja, das hat Karen wirklich in Rage gebracht.
Aber wir gingen in die VIP-Lounge und nahmen einen Drink.
Im Fernsehen wurde Spartacus gezeigt. Das ist mein…«
»Ihr Lieblingsfilm, ich weiß, und auch ein sehr langer. Und
Sie neigen dazu, bei Filmen einzuschlafen. Sind Sie ganz
sicher, daß Karen die ganze Zeit vor dem Fernseher saß und
sich den ganzen Film angesehen hat?«
»Nun, ich weiß, daß sie sich nach der Verspätung erkundigt
hat und auch einmal weggegangen ist, um ein paar
Telefongespräche zu führen.«
»Mrs. Webster, Karens Haus in Clinton ist fast siebzig
Kilometer von dem Flughafen entfernt. Wäre es möglich, daß
Sie sie zwei- bis zweieinhalb Stunden nicht gesehen haben? Ich
meine, könnte es sein, daß sie Sie allein gelassen hat und nach
Hause gefahren ist?«
»Ich glaube wirklich nicht, daß ich eingeschlafen war,
aber…« Sie stockte. »Mir fällt jetzt ein, daß Karens Wagen an
einem anderen Platz stand, als wir mit unserer Kundin aus dem
Flughafengebäude kamen. Als wir ankamen, herrschte solches
Gedränge, daß wir ein ziemliches Stück zum Terminal gehen
mußten. Aber als wir dann wegfuhren, stand der Wagen direkt
gegenüber dem Eingang.«
Moody seufzte. »Ich wünschte, Sie hätten mir das früher
gesagt, Mrs. Webster.«
97
Es war wieder ganz wie in der Zeit vor Lees Klinikaufenthalt,
dachte Opal. Sie und Bic fingen wieder an, ihr in gemieteten
Wagen zu folgen. Manchmal parkten sie auf der anderen
Straßenseite und beobachteten Lee, wie sie aus der Garage zum
Eingang der Klinik eilte, und warteten, bis sie wieder
herauskam. Bic starrte dabei unverwandt auf die Tür, voller
Angst, er könnte auch nur einen Blick auf sie verpassen. Auf
seiner Stirn bildeten sich Schweißtropfen, und wenn Lee
endlich herauskam, krampften sich seine Hände um das Steuer.
»Ich möchte wissen, wovon sie heute geredet hat«, sagte er
manchmal, und in seiner Stimme mischten sich Angst und
Zorn. »Sie ist mit diesem Psychiater allein in diesem Zimmer,
Opal. Vielleicht führt sie ihn in Versuchung.«
An Werktagen ging Lee morgens zur Klinik. Nachmittags
spielte sie häufig mit Sarah Golf, gewöhnlich auf einem der
öffentlichen Plätze. Aus Sorge, Sarah könnte auffallen, daß
ihnen ein Wagen folgte, fing Bic an, sich telefonisch auf den
Golfplätzen nach Reservierungen auf den Namen Kenyon zu
erkundigen. Wenn er fündig wurde, fuhren er und Opal
gelegentlich zu dem betreffenden Platz und versuchten, im
Restaurant wie zufällig auf Sarah und Lee zu stoßen.
Er hielt sich nie länger an ihrem Tisch auf, begrüßte sie nur
beiläufig und ging dann weiter, aber es gab nichts an Lee, das
seiner Aufmerksamkeit entging. Nachher äußerte er sich immer
erregt über ihr Aussehen. »Dieses Golfhemd klebt förmlich an
ihrem zarten Körper… Ich mußte an mich halten, um nicht über
den Tisch zu greifen und die Spange zu lösen, die ihr goldenes
Haar hält.«
An den Wochenenden mußten sie wegen der ›Welle Gottes‹
in New York bleiben, und dafür war Opal insgeheim dankbar.
Wenn sie an Samstagen und Sonntagen Lee und Sarah zu
Gesicht bekamen, dann waren immer der Arzt und dieser junge
Mann, Gregg Bennett, mit ihnen zusammen. Das machte Bic
wütend.
Eines Tages Mitte August rief er Opal zu sich in Lees
Zimmer. Die Vorhänge waren zugezogen, und er saß auf dem
Schaukelstuhl. »Ich habe den Herrn in meinen Gebeten um Rat
ersucht und eine Antwort erhalten«, erklärte er ihr. »Lee fährt
immer allein nach New York und kommt auch wieder allein
zurück. Sie hat ein Telefon im Wagen. Ich habe ihre Nummer
ausfindig gemacht.«
Opal zuckte zusammen, als Bics Gesicht sich verzerrte und
jenes fremdartige, manische Leuchten in seinen Augen
erschien. »Opal«, donnerte er, »glaube ja nicht, daß ich deine
Eifersucht nicht bemerkt habe. Ich verbiete dir, mich damit zu
belästigen. Lees Zeit auf Erden ist beinahe abgelaufen. In den
Tagen, die ihr noch bleiben, mußt du mir erlauben, daß ich
mich mit dem Anblick, dem Klang und dem Duft jenes
hübschen Kindes erfülle.«
98
Thomasina Perkins war entzückt, als sie einen Brief von Sarah
Kenyon erhielt, in dem diese sie darum bat, zu Lauries Gunsten
einen Brief an den Richter zu schreiben.
»Sie erinnern sich doch deutlich daran, wie verängstigt und
erschreckt Laurie war«, schrieb Sarah, »und Sie sind die
einzige, die sie je mit ihren Entführern gesehen hat. Wir
müssen den Richter dazu bringen, daß er das
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