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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Zoderer
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Wunde, die sie von Zeit zu Zeit mit der Oberlippe bedeckte. Aber sie war einverstanden, als er Champagner bestellte, gerade so, als hätte er eine Flasche Spucke über sie schütten wollen.
    Der Kellner brachte die Flasche, während Lukas auf der Toilette war, und ließ den Stöpsel vor Johannas Augen zur Decke knallen, gerade als Lukas wieder zurückkam.
    Sie zog Lukas zu sich heran, zog sein Gesicht an ihr Gesicht heran, so nahe, daß die Nasen sich berührten, langsam entfernte sie sich dann wieder, entfernte sich mit ihrem Mund, und er sah nur ihre Augen, die sein ganzes Gesicht zu umschließen schienen, es verwundert prüften, bis sie sich ihm wieder näherte und ihre Nase sacht an der seinen rieb.
    Als wollten sie alles für null und nichtig erklären, was sie noch Minuten vorher an Belanglosem geredet hatten, schlangen sie die Arme umeinander.
    Als wollte einer dem anderen das Geheimnis aus der Haut reißen, schlangen sie die Arme umeinander, umklammerte einer den anderen, stumm und in sehnsüchtigem Zorn fügten sie einander die Küsse mit kleinen Bissen zu, bedeckten damit das Gesicht des anderen, oder hatte er sich täuschen lassen, und Johannas Gesicht war regungslos geblieben, malträtiert von seinem über ihre Wangen, ihre Nase, ihre Schläfen hüpfenden Mund?
    Aber er hatte doch ihre offenstehenden Augen bemerkt, ihr Zusehen, ihr Abwarten, ja, sie war nicht zurückgewichen, er hatte den Druck ihrer Arme gespürt. Zog sie ihn an sich heran? oder verringerte sie nur mit dem Druck ihrer Arme seine zu heftige Umarmung?
    Alles, einfach alles radikal mit abgehobenen Fersen ändern, hatte Johanna über die zerteilte Forelle gebeugt gesagt, und auch er zerlegte seine Forelle und wußte nicht, warum Johanna recht hatte. In einem Schafstall im Gebirge, in einer verschmierten Futterkrippe am Ende eines gebirgigen Tales, hätten Johanna und Lukas einander lieben können, alles wäre anders gewesen, schärfer der Geruch, und kalt das Halbdunkel des Pferches, lau dagegen das Morgenlicht in der Cottagewohnung, wo ihn Livia weckte.
    Wenn ich komme, hätte Johanna gesagt, kann alles sein. Alles könnte ein Fenster sein, rechteckig mit eingesetzten Eisenstäben.
    Draußen schneite es, vor den Fensterscheiben fiel der Schnee in dichten weißen Strähnen auf die Khakibäume.
    Leg dich auf den Rücken.
    Die Zunge raus.
    Streck die Hände vor, etwas schneller,
    auch die Fußsohlen.
    Ganz klar: er ist es.
    Ich will nicht wissen, wie du lebst, hatte Johanna gesagt, aber ich möchte etwas Vertrautes an dir erkennen, deine Augen oder deine Stimme. Sie sah ihm auf den Mund. Und er blickte sie ebenso direkt an, ihre weiße Bluse, den spitzenbesetzten Ausschnitt zwischen den Brüsten, ihr schmales Gesicht, das weiche Kinn. Sie hatte die Hände vorgestreckt, als ob sie sich an einer Tischkante festhalten oder einen Tisch hätte umstoßen wollen. Aber es war eine große Stille in ihren Augen, keine Angriffslust und auch keine Neugier.
    Wenn er die Augen schloß, schrie Livia aus dem Schlaf heraus und stieß ihn zum Telefon hin, das nicht schrillte, aber sie hörte es schrillen, und er sah sich in der Nacht auf den Dielenbrettern stehen, und dieser Knopf, der das automatische Gewehrfeuer auslöste, wuchs in seine Hand herein, er brauchte nur sanft darüber streicheln mit einem Fingerballen, und lautlos jagten die Geschosse ins Dunkel, er traf jede Bleitür, er durchschoß meterdicke Bleitüren, hinter denen sich wieder unversehrt meterdicke Bleitüren als Ziel darboten, in Herzform manchmal, oft auch nur als schwarzer zentraler Punkt. Zum Glück war der Dielenboden beweglich, versenkbar, seine Flucht unaufhaltsam, und ohne einen Blutstropfen auf dem Finger schlief er neben Livia wieder ein. Ich schwöre, hatte er gesagt und sie angelacht, ich habe heute mit keiner Frau geschlafen. Er stand vor dem Waschbecken des Bades und seine Schultern zuckten von halb unterdrücktem Lachen. Er öffnete seine Hose und drehte sich um, und sie bückte sich. Du kannst dich auch gewaschen haben, sagte sie.
    Er hatte die Hand ausgestreckt und in der Zimmerfinsternis Livias Nacken gefunden, tatsächlich nur einige Haarsträhnen, die er über ihrem Hals zusammenrollte und knetete, als ob er trockenes Gras zwischen den Fingern hätte, nicht diese ihm entgleitenden Haare, er spürte, sie wollte schlafen, auch wenn sie ihm

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