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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Zoderer
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trank hintereinander zwei Vermouth, er war umwispelt von Damen, deren Blicke über ihn und an ihm vorbeifegten. Hätten sich unsere Körper berührt, dachte Lukas, wären wir aneinander gehangen mit verbissenen Mündern.
    Als er den Kellner wieder an den Tisch zu rufen versuchte, wurde er, da man ihn weder zu sehen noch zu hören schien, schnell ungeduldig und schließlich fixiert auf dieses Warten, als ob er irgend etwas hätte versäumen können. Dabei brauchte der Kellner mich nur fragen: Wollen Sie zahlen oder noch einen Martini, und ich hätte wohl noch einen dritten bestellt.
    Er saß unruhig zwischen all dem Geraspel und Gewisper, sah hin und her zuckende Köpfe, auflachende Münder, viel Rouge und viel Schattenblau und dazwischen einen auf und nieder gehenden Mann, eine schnell vorzuckende Hand, die augenblicklang zu erstarren schien, bevor sie zurückfuhr. Auch vor Lukas machte der Mann seine Aufwartung, nachdem er ihm zuvor eine Weile den glänzigen, gebeugten Mantelrücken zugekehrt hatte und mit einer Dame am Nachbartisch beschäftigt war; nach einer betulichen Drehung hielt er ihm den Handteller über dem leeren Glas hin, und da erkannte Lukas den Kerl, der ihn beim Mülleimer beobachtet hatte. Er steckte ihm einen Geldschein zu und bat ihn fast untertänig, er möge ihm den Kellner rufen. Die dicke Unterlippe des Mannes näherte sich ihm und flüsterte: Warum kommen Sie morgen nicht in die Basilika? Erst dann holte er den Kellner. Lukas fiel der stechende Blick einer blauhaarigen Alten am Nebentisch auf, die sich zuvor sehr lebhaft am Gespräch ihrer Runde beteiligt hatte, ihm nun aber plötzlich unverhohlen feindselige Blicke zuwarf, wobei sie immer wieder ihren Persianermantel über der Brust zusammenzog und ein Bein über das andere schlug, so daß jedesmal die Mantelschöße über den Knien auseinanderrutschten.
    Lukas zerknüllte den Rechnungszettel und rannte wieder in die Kälte hinaus, umrundete, mit allmählich langsamer werdenden Schritten, noch einmal den Brunnen, tatsächlich unzählige Male, und drückte sich dann in die Mauernische eines Versicherungsgebäudes, später versuchte er im braunspiegelnden Glas einer Reisebürovitrine den Brunnen im Auge zu behalten. Schließlich schlenderte er über den Platz und betrat den Kaffeesalon gegenüber dem Reisebüro, ich war, Johanna, außer einem älteren Paar der einzige Gast. Zwischen leeren Tischen und unbenutzten Kopien von Biedermeierstühlen saß ich in einem altrosafarbenen Plüschsessel und blickte durch hohe Fenster auf den angestrahlten Windbrunnen. Ich trank mit aufgesperrten Augen meinen Kaffee und hörte dich sagen, daß du den Schnee in der Stadt nicht magst, daß du überhaupt graue Tage nicht erträgst, während ich dir sagen wollte, daß mich ein sonniger Nachmittag im Dezember erwürgt. Tatsächlich wußte ich nicht mehr, worauf ich wartete, ich hätte alles und jedes lieben können, was mich hätte lieben wollen.
    Auf dem Weg zum Hotel schwenkte Lukas immer wieder in andere Gassen ab, die ihn zu immer weiteren Umwegen verführten, er kam durch Straßen, die nur von grauem Gemäuer flankiert waren, Spießrutengassen mit vielleicht einem Laden, in dessen Schaufenster Gummistiefel oder Schraubenschlüssel oder Motorhandsägen ausgestellt waren. Noch achtete er darauf, daß er nicht in Hundekot trat oder in Spuckebatzen; die Schwenktüren der Telefonkabinen waren meist herausgebrochen oder ausgehängt oder abgerissen, der Wind fegte über die Nummerntasten, ich rede nur mehr mit Kellnern, Kellnerinnen und mit meinem Portier. Lauf über das Grönlandeis, hatte er Johanna nachgeschrien, aber sie lief nicht, sondern zog ihre Stiefel aus und ließ sie auf dem Schneepfad liegen, und während er die Stiefel aufnahm, ging sie ohne Eile weiter, du liebst mich nicht, schrie er, und sie hielt inne und schlüpfte aus der Hose, barfuß stieg sie die vereisten Wegwindungen hinauf, Lukas sah die nackten Füße sich heben und senken im Schnee.
    Die Platanen im Park mit ihren zwei und mehr Metern im Umfang hätte kein noch so liebessüchtiger Mensch von Hand zu Hand umarmen können. Es gab keinen geraden Weg dazwischen, nur kunstvoll verschlungene Pfade, die sich mehrfach nach links und rechts teilten. An den Wegrändern klitschte das Laub knöcheltief, Äste der

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