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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Zoderer
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Öffnen des Mülleimers. Warten Sie, ich stehe jetzt auf.
    Margarita, schrie er, bring uns Kaffee. Und so schnell, als hätte sie hinter der Schranktür gelauert, tauchte die Frau neben dem Bett auf. Sie fuhr mit einer Hand unter das Kopfpolster des Mannes und zerrte Unterwäsche heraus, schubste Lukas sanft zur Seite, raffte Hose und Hemd von einem Stuhl, breitete sorgfältig die Kleidungsstücke am Fußende des Bettes aus.
    Lassen Sie sich nicht stören, sagte der Bleiche, warf die Decken zurück und schlüpfte mit dünnen Beinen in einen rosaseidenen Slip.
    Sie hat Sie also angerufen.
    Nein, mich hat niemand angerufen.
    Natürlich nicht.
    Die Alte drängte mit Kaffeetassen an Lukas vorbei, stellte eine neben einen Briefstapel auf das Nachtkästchen und reichte eine andere so dicht an sein Gesicht heran, daß er zurückzuckte.
    Sie schläft, aber ich weiß nicht, bis wann, kicherte der Mann, schlürfte den Kaffee und fuhr, noch immer im Slip, mit erhobener Stimme fort: Ich mag nur Brillengesichter, auch wenn ich, wie Sie sehen, selbst keine Augengläser benötige, aber ich sammle rigoros und ausschließlich Fotos von Brillenträgern, ganz gleich, ob es ein berühmter Kurzsichtiger ist oder meine Zeitungsverkäuferin. Er setzte sich auf die Bettkante, zog Lukas neben sich und las ihm Zeitungsartikel vor, die er willkürlich aus den Stapeln fischte. Hier, rief aus der Küche die Frau, sind die Spaghetti auf dem Teller, Lukas roch das Dosenblech der Sauce.
    Es gibt noch Trauben und Khakifrüchte, schmunzelte ihm der Dicklippige zu, und Schnaps, wenn Sie den mögen.
    Durch das offene Küchenfenster hörte Lukas wieder das betrunkene Schreien. Die Frau stellte eine gläserne Schale mit Pudding vor ihn hin und legte zwei Bananen auf einen Teller.
    Ich zwinge Sie zu nichts, sagte sie.
    Danke, ich mag Pudding.
    Lukas zog die Schale näher heran. Der Mann, sah Lukas, kratzte mit einem Suppenlöffel die Puddingreste aus dem Topf, aber die Bananen rührte er nicht an. Er hatte keine Tränensäcke unter den Augen, auch keine Faltentäler, aber große buschige Augenbrauen.
    Warum beobachten Sie mich beim Essen, sagte er zu Lukas. Er schüttelte den Bierrest in seinem Glas wie einen Cocktail und trank ihn mit gequetschtem Blick aus.
    Ich muß jetzt gehen, sagte Lukas.
    Besuchen Sie auch unsere Fotosammlung rechts vor dem Ausgang, flüsterte der Mann, deswegen sind Sie doch gekommen.
    Ich weiß, sagte Lukas, ich weiß.
    Sie werden jedesmal überrascht sein, immer etwas Neues dabei, grinste der Dicklippige.
    Ich habe heute keine Zeit.
    Ich weiß, nickte der Mann und blieb am Küchentisch sitzen. Lukas fand im Flur seinen Mantel. Er sprang über die Steintreppen hinunter, stieß sich dabei mit den Händen von den Mauern ab, immer die Blicke von oben im Nakken, ohne Zweifel beugten sie sich über das Stiegengeländer, bis er im Parterre angelangt war, das Haustor aufdrückte und auf die Straße hinaus verschwand. Im Trichter des Spiralengeländers wäre Platz gewesen für einen Körper, auch wenn nach wenigen Metern die rudernden Arme und Kopf und Brust am Geländer oder den Treppenkanten angeschlagen wären. Du würdest mich nicht erkennen, Johanna, nicht hier und nicht draußen würdest du mich erkennen.
    Lukas lief bis in die Randbezirke hinaus, bog einmal da, einmal dort ab, vor einem Eisentor, dessen schwarze Flügel nach innen aufgestoßen waren, sah er eine Gruppe dunkel gekleideter Männer, Chauffeure, dachte er und blickte auf die polierten Limousinen entlang des Gehsteigs, und erst dann bemerkte er die Kränze neben dem Tor, die an die hohe Mauer gelehnt waren. Hinter der Mauer ragte ein einzelner Schlot in den kalten Himmel, Lukas reckte den Hals und schaute zur Mundöffnung des Kamins hinauf, aber er gewahrte nicht den geringsten Schleier eines Rauches.
    Am Bahnhof erkundigte er sich nach dem frühesten und allen späteren Zügen in nördlicher Richtung, kaufte jedoch keine Fahrkarte, sondern notierte sich lediglich die Zeiten. Im Wartesaal schliefen quer über den Sitzen einige Reisende. Lukas trank ein Bier am Buffet und schrieb ein paar Sätze auf zwei Ansichtskarten, die eine mit lilafarbenem, die andere mit grünem Rand, und adressierte sie: An Livia, und: An Johanna. Ich bin heute morgen, schrieb er Johanna, draußen auf dem äußersten Rand einer Mole

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