Dauerhaftes Morgenrot
abgedreht worden, und so fiel kein Strahl zwischen die schwarzen FüÃe des Wüstenwindes und die rundgespülten Ohren des Pferdchens, das sich an ein Wadenbein der steinernen Indianerin schmiegte: abgebrochene Hände, verstümmelte Arme und zerriebene Nasen, ein Drache mit zurückgezogenen Lefzen. Er drehte noch einmal eine Runde um den Brunnen, dann ging er auf die kleine Pelzmantelfigur zu, die in der Portalnische des geschlossenen Reisebüros leicht nach vorne geneigt lehnte. Wenn er an sie gedacht hatte, war sie viel gröÃer gewesen, jetzt sah er vor allem die schlank gebogene Nase und ihre Augen, in seinem Kopf war sie tatsächlich gröÃer gewesen, und nun trug sie einen grobgestrickten Pullover, dessen Farbe überlief in die Farbe ihrer Jeans, die so eng saÃen, daà sie die Beine zwischen den SchöÃen ihres dunkelbraunen Fellmantels wie entblöÃt erscheinen lieÃen. Er winkte ihr, aus der Portalnische herauszutreten, aber sie rührte sich nicht sofort, schien verwundert, maà ihn mit einem fragenden Blick und blieb unverändert in ihrer Haltung, so daà er sich nach einer Weile umwandte und wegzugehen begann. Ich gehe voraus, sagte er, obwohl sie es kaum hören konnte, aber zurückblickend sah er sie dann einige Schritte hinter sich, ich gehe voraus, sagte er trotzdem noch einmal und zögerte, eine schnellere Gangart anzuschlagen, er hatte sie sich gröÃer und langbeiniger gewünscht, die Farbe ihrer Jeans verschwamm mit der Farbe des Pullovers, aber die dunkelbraunen SchöÃe ihres Pelzes hoben sich aufreizend ab von der abgeschabten Helligkeit der Hosen.
Er begann von ihr wegzugehen, jede seiner Bewegungen wirkte auf ihn lächerlich, er schämte sich, während er an der kopierten Fassade eines Tempels vorbeischlenderte, an einer Glastür zwischen dorischen Säulen, in der sich sein unbeschleunigtes Gehen spiegelte. Sie folgte ihm, geschmeidig, sie trug keinen Hut, keine Pelzmütze, kein Kopftuch, sie hatte ihre Hände in den Manteltaschen, sie ballte ihre Finger vielleicht zu Fäusten, sie folgte ihm ins Hotel, näherte sich ihm fast auf Schritthöhe, ohne ihn erreichen zu wollen, sie sprach ihn nicht leise oder laut von hinten an, während sie ihn tatsächlich vor sich herschob.
Im Motorengetucker vorbeikriechender Autoschlangen verliert er die Geräusche ihrer Schritte, er spürt auch nicht mehr ihre Bewegung, sie ist weggegangen, redet er sich zu und dreht sich nicht um, geht weiter und blickt nicht einmal in die Schaufenster, in deren Glas er sie vielleicht hätte sehen können.
Da überholt sie ihn, streift ihn mit dem Ellbogen, der leicht angewinkelt ist und sich gleich darauf wieder lockert, so daà die weichen braunen Fellhaare nicht Zeit haben, durch den Trenchcoat in seine Haut zu dringen, aber er fühlt sie, als hätte der feine Pelz sich durch seinen Mantel hindurch an seine Haut geschmiegt.
Er läÃt sich von ihr überholen, läÃt sie vorausgehen bis zur Ampel, die auf Rot geschaltet ist, stumm stehen sie nebeneinander und schauen auf das Signallicht, eine jähe Schwere drängt von innen gegen seine Kehle.
Aber auf der anderen StraÃenseite schiebt sie eine Hand in die Beuge seines Arms und zieht ihn am Zeitungskiosk vorbei in die Gasse, die in einem Halbbogen zu einem Hausdurchgang führt, einer Abkürzung zu seinem Hotel.
Der Portier saà in seiner Nische und schien zu schlafen, er reagierte auch nicht, als sie sich beide vor das Empfangspult stellten. Lukas streckte den Arm aus, um den Zimmerschlüssel vom Nagel zu haken, aber da kam ihm der Alte zuvor. Erlauben Sie, daà ich Ihnen die Mühe abnehme. Er mimte ein Gähnen, wobei er nur halb den Mund öffnete und sofort weiterredete, ohne ein einziges Wort zu verstümmeln. Lukas schien, daà er seiner Begleiterin zugezwinkert hätte, so als kenne er sie, oder als teilten sie beide ein Wissen, vielleicht aber hatte er ihr nur bewundernd zugenickt. Lukas schob keinen Geldschein über das Pult, sondern griff nach dem Schlüssel und ging über die wenigen Stufen voraus zum Lift.
Im Fahrstuhl zögerte er, den Fingerballen auf einen Knopf zu legen, statt dessen kratzte er ein winziges loses Furnierstück von der hölzernen Wand. Welcher Stock? fragte schlieÃlich sie und drückte den obersten Knopf, als er fünfte Etage sagte. Sie stand mit dem Gesicht zu seinem Rükken,
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