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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Zoderer
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und Schrank stand. Auf dem Bett sitzend wartete er, bis Gianna ohne seine Hilfe in den Pelz zurückgekrochen war, ein heftiges Verlangen machte ihn verlegen, und gleichzeitig vibrierte in ihm eine tönende Leere, als gäbe es ein Glück aus Gefühllosigkeit. Er war nicht gleich imstande, das zu tun, was er tun wollte: aufzustehen, Giannas Gesicht zwischen seine Hände zu nehmen und mit ihr aufs Bett zu fallen.
    Komm, lachte sie ihm zu, öffnete die Tür und trat auf den Gang hinaus. Während er den Schlüssel umdrehte, sah er sie mit gesenktem Kopf die wenigen Stufen zum Zwischenstock hinunterspringen, wo sie vor dem Aufzug stehenblieb.
    Die Leichtigkeit ihrer Bewegungen steckte ihn an, und er nahm die wenigen Stufen in zwei Sätzen, als hätte er Grund zum Übermut, und tatsächlich wollte er ganz ungezwungen und heiter wirken, beinahe wäre er auf Gianna gestürzt, er wollte sie mit vorgestreckten Händen schützen, und als Gianna sich ihm zuwandte, umschlang er ihren Nacken und legte eine Wange an ihre Schläfe. Komm, gehn wir zurück, bat er sie und hörte das leise Zerfallen seiner Stimme, er begann Gianna in der Umarmung von der Lifttür wegzuschieben, aber sie brachte ihre Hände an sein Revers und drückte ihn sanft von sich.
    Ihre Augen prüften sein Gesicht ohne Spott, aber auch ohne verführerisches Lächeln. Mit einer Hand griff sie über seine Schulter und traf mit einem Finger den Parterre-Knopf. Wenig später tauchte die Fahrstuhlkabine wie eine riesige Laterne hinter der milchgläsernen Lifttür auf. Unter der weißen Fahrstuhlbeleuchtung kam ihm jede Bewegung seiner Hände verdächtig und deshalb außerordentlich vor, dennoch hob er einen Arm und strich mit den Fingerspitzen von der Wange langsam herunter bis zum Schnurrbart, dessen Enden er kurz zwischen Daumen und Zeigefinger zwirbelte. Gianna schaute ihm belustigt, ja aufmunternd zu, wobei sie die Lippen leicht nach vorne schob, ohne Koketterie, als wären Lukas und sie alte Bekannte, als wollte sie ihn auffordern: richtig, zwirbel dir nur den Schnurrbart, aber mach dir keine falschen Hoffnungen. An der Portiersloge huschte sie wortlos, aber mit winkend gespreizten Fingern vorbei, Lukas warf den Schlüssel auf das Pult des Portiers, der sich aus seinem Sessel beugte und den Mund zu einer Frage formte, Lukas hörte durch die zuschleifende Hoteltür seinen Namen, doch er lief Gianna nach, die bereits in den Durchgang des Nebenhauses eintauchte.
    Warte, rief er, nein, schrie er, um den Wind zu übertönen, der die Nylonplanen des Baugerüstes auf der anderen Gassenseite zu knatterndem Flattern brachte, komm, bat er, als er sie eingeholt hatte, trinken wir wenigstens etwas.
    Nein, sagte sie und wandte sich wieder grußlos zum Gehen, nach wenigen Schritten drehte sie sich aber um und drohte ihm lachend mit dem Zeigefinger.
    Lukas ballte seine Hand, er riß sie aus der Manteltasche heraus und schüttelte sie in der Luft, jedoch ohne den geringsten Zorn, er wollte nur von Gianna verstanden werden.
    Fast übermütig kehrte er in die Gasse zurück und betrat schräg gegenüber seinem Hotel die Bar, wo er gewöhnlich am Morgen seinen Espresso trank und tagsüber manchmal auch auf einen schnellen Bissen hereinkam, eine dieser aufpolierten Winkelkneipen mit langer Anrichte, hinter deren Vitrine aufgetürmte Salamistangen, Mortadella und roher Schinken neben den Tellern mit Dreiecksbrötchen die Gaumenlust reizen sollen. Zwischen dem Tresen und den Tischen an der Wand war doppelt soviel Platz wie in seinem Hotelzimmer. Den Mann hinter der Theke kannte er vom ersten Frühstücksmokka, einen wortkargen Vierziger mit Schnauzbart. Lukas kletterte auf einen Hocker an der Theke und bestellte einen Grappa. Aus den Lautsprecherboxen in den Ecken oberhalb der Schank dröhnte das Musikprogramm eines lokalen Radiosenders, neben Lukas lehnte ein drahtiger kleiner Mann mit dem Rücken am Tresen, eigentlich ein Zwerg, sein schwarzgekrauster Kopf reichte gerade noch über die Theke, Lukas hielt ihn für einen Nordafrikaner, er trank Mineralwasser, und während er das Glas an den Mund setzte, verzerrten sich die Falten in dem aschigen Gesicht. Er schien sich stumm, aber lebhaft an der Unterhaltung zu beteiligen, die lautstark an dem einzigen besetzten Tisch an der Wand geführt wurde. Im Spiegel hinter der Schank konnte Lukas zwischen und oberhalb der

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