Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Zoderer
Vom Netzwerk:
ich muß noch arbeiten an einem anderen Ort. Lukas wartete, bis der Korken aus der Sektflasche zur Decke knallte, und im Gekreisch und Geschrei der anderen setzte er sein Schnapsglas an die Lippen und leerte es. Remo schlug seines an die Sektgläser der Frauen, und Lukas, dem vor jäher Gleichgültigkeit das Herz aufging, klinkerte seinen leeren Kelch ebenfalls an die Gläser der anderen und schenkte sich sofort nach. Die Rothaarige füllte das Glas, das der Wirt geleert und stehengelassen hatte, bis an den Rand und reichte es Lukas, der es mit zurückgebeugtem Kopf austrank und daraufhin von der breitbusigen Kußschmatzerin umhalst und auf den Mund geküßt wurde. Der Koloß goß indessen in alle Gläser, in die kleinen und die großen, Grappa, Laura beschimpfte ihn lachend und schlug mit der Faust auf seinen Arm ein und besprengte ihn schließlich mit dem Sekt. Laura, Liebste, jaulte der Maler und rieb sein bärtiges Kinn winselnd über ihren Haarschopf. Lukas merkte erst nach einer Weile, daß der Zwerg sich davongemacht hatte und der Wirt sich mit zwei neu hereingekommenen Barbesuchern an der Theke unterhielt.
    Die Kunst ist im Grunde die einzige Scheiße, die schön ist, grölte der Koloß. Die Frauen protestierten und schrien: nichts geht über die Liebe.
    Hab ich ja nichts dagegen, ist ja auch Kunst, rief der Maler.
    Und ich habe nichts dafür, nichts dafür, lallte Lukas, umkreiste mit seinem Glas den Tisch und setzte sich neben Laura, die Rothaarige, er bestand darauf, daß sie beide gleichzeitig ihr Glas leerten, und zwar mit ineinander verwinkelten Armen, und sich dann auf den Mund küßten. Als er wieder aufblickte, saß auf dem Stuhl an der anderen Tischseite die Äthiopierin aus seinem Hotel.
    Ich bin betrunken, seufzte er und legte den Kopf an Lauras Hals. Er hörte die Kußschmatzerin mit der Afrikanerin tuscheln, dann sprang sie von ihrem Stuhl und verkündete schrill: Gehen wir alle zu Lucia, Lucia gibt eine Party, auch die Heiligen der Basilika sind dort!
    Sie brauchten keinen Wagen, um Lucias Wohnung zu erreichen, er wollte sich bei Laura einhängen, die breitbusige Melva aber hielt sich an seinem Oberarm fest, Lukas versuchte sich freizumachen und schob sie ein wenig von sich fort, dabei fielen ihm ihre weißen Knie und die bis zu den Knöcheln fast gleichförmig dicken Beine auf, die von weißen Strümpfen überzogenen Beine; er verstand nicht, warum, aber all das Weiße erfüllte ihn mit einem leidenden Gefühl, er fühlte sich plötzlich zu Laura hingezogen, aber er sah auch Melvas strahlenförmig wegfliehende Haare sehr nahe und tappte danach, und seine Fingerspitzen juckten deutlich bei der Berührung ihres gefärbten Haares, er hätte gerne seine Brille mit der Lauras getauscht, aber er hätte sie auch Melva zu gern auf die Nase gesetzt, doch beide wehrten sich, so daß er sich mit einem schmatzenden Kuß begnügte, während er mit dem Koloß und den Frauen durch ein miefiges Stiegenhaus aufwärts drängte, zeitweilig hinter oder um sich Melvas tapsige Hände und ihr Gekicher, neben oder vor sich die hin und her wackelnde Laura, und über allen Köpfen das schallende Organ des Malers. Immer wieder einmal verdunkelten auch die ausladenden Hüften der Äthiopierin seine Vorstellung von den einzelnen Stockwerken, aber schließlich sah er eine Wohnungstür sperrangelweit offen, und ein Erzengel stand stumm und nackt mit einem Säbel unübersehbar vor ihm.
    Lukas wußte nicht gleich, wo er ihn zum erstenmal gesehen hatte, vielleicht als Nachtportier irgendwo, in einem anderen Hotel in einer anderen Stadt, er lächelte auf alle Fälle dem halbglatzigen Cherubim zu, und er bemerkte, daß dieser Engel ein schlaffes Glied zwischen den Schenkeln baumeln hatte, Melva langte trotzdem hin.
    Vielleicht war es eine große Wohnung, vielleicht ein kleines Labyrinth, den Wänden entlang lagen oder saßen halbausgezogene oder auch hütetragende Menschen, ältere Kinder noch oder fast schon Greise, Lukas wollte sich neben die Äthiopierin setzen, neben deren Ohr ein Ölbild hing, das in seinen dunklen Farben ihr, in den Zügen der Dargestellten jedoch mehr dem Koloß glich; über fast allen Köpfen sah er nach und nach diese Selbstbildnisse oder Ähnlichkeitsbilder mit den Daruntersitzenden, nur hinter ihm und über ihm war kein Bild angebracht,

Weitere Kostenlose Bücher