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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Zoderer
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er auch nicht, vielleicht sagte er nur: Hau ab!, und Lukas fand endlich in den Raum zurück, wo er den Zwerg mit ihr auf der Couch gesehen hatte, er konnte aber in diesem Zimmer kein einziges Möbelstück mehr ausmachen, nur tanzende, dahinfließende Körper, mit einer Hand versuchte er vorbeischwankende Körper- oder Stoffteile zu grapschen, auch Haarspitzen, einmal wurde er von feinen Fingern gestreift, und er küßte dafür einen geöffneten Mund, aber gleichzeitig lächelten ihm Giannas Augen über dem Wuschelhaar des Zwerges zu. Er versuchte den Afrikaner an den Haaren von ihr fortzuziehen, aber beim Versuch, den Kopf mit beiden Händen zu packen, traf ihn ein jäher, alle Geräusche auslöschender Schmerz zwischen den Beinen, und er fiel vornüber in Giannas glänzenden Blick.
    Als er zu sich kam, war er schweißgebadet, von fern hörte er gedämpfte Geräusche, Schritte oder rollende Räder, er erschrak, weil er nicht wußte, ob er in Livias Bett oder in seinem Hotelzimmer lag, sein Kopf brannte, er wälzte sich zur Seite, jede Bewegung schmerzte auch im Magen, unzusammenhängende Sätze, halbe Sätze, einzelne Worte quälten ihn, wiederholten sich. Langsam sog er die Luft durch die Nase und atmete sie in verhaltenen Stößen wieder aus, der Geruch erinnerte ihn an feuchte Tapeten, irgendwie auch an Spaghettisauce und an Kaffeereste, die in Teppiche eingesickert und vertrocknet waren. Als er die Augen öffnete, hatte sich die Dunkelheit in ein graues Dämmern aufgehellt, durch die Schlitze der Jalousien drang genug Licht, um ihn erkennen zu lassen, daß die Zimmerwände vollgehängt waren mit kleinen gerahmten Fotografien. Er schloß wieder die Augen, und Gianna sagte, ich habe es gewußt und wohl auch gewollt. Sie trug eine Jacke, lose um die Schultern gehängt, trug in Wirklichkeit seine Sommerjacke, und er bückte sich und bis über seine Waden reichte der wilde Fenchel. Er täuschte sich nicht, Gianna hatte ihn an sich gepreßt.
    Er erinnerte sich nur verschwommen an eine breite Treppe, er erinnerte sich, daß seine Augen feucht geworden waren von ihrem Mund, er suchte mit nackten Füßen die Tür, ertastete einen Lichtschalter: Über der Lehne eines Sessels lagen Kleidungsstücke, seine Hose ordentlich gefaltet, der Mantel an einem Haken neben der Tür, nicht einmal den Hut hatte er verloren oder vergessen, er löschte wieder das Licht aus, im Dunkeln schmerzten die Augen weniger, Livia ist die Komplizin meines Unglücks, ich brauche sie dafür, aber vielleicht ist es nur Mitleid.
    Er sieht den gemalten Kopf der Chinesin, den er in einem Kaffeehaus der Stadt lange betrachtet hat, einen Kopf mit hölzernen Nadeln im schwarzen Haar, er denkt an ihr feines Lächeln, während er in die Socken schlüpft und fürchtet, daß unmerklich die Tür aufgehen könnte. Er hört jetzt Schreie, die von den Mauern, durch die sie dringen, nur schwach gedämpft werden, er erkennt den Fistelton der Trinkerin, er wünscht sich Giannas ruhige Nähe, aber gleichzeitig fürchtet er auch, sie könnte durch die Tür hier in dieses Zimmer treten, auf seidigen Füßen oder auf nackten, sie könnte ihn umarmen, während er mit seinen Gedanken beschäftigt ist, die jedes Ende wegdenken wollen und jedes Ende wegdenkend ununterbrochen mit dem Ende beschäftigt sind, und Gianna könnte in ein Gelächter ausbrechen, ihren Kopf zurückwerfen und sich vor Lachen biegen und lachend das Licht anknipsen, so daß er auf sie hinstarren müßte mit den Schuhen noch in den Händen, er sehnt sich nach ihr und er wünscht, er könnte den Halbbogen ihrer Oberlippe im Zwielicht dieses Zimmers erkennen, ihre zwei lückenlos aneinander sich fügenden breiten Schneidezähne und den Glanz der Lippen sehen und spüren, ja, er streckt die Arme aus, läßt die Schuhe fallen, reißt die Augen auf, glaubt, er müßte sie sehen und greifen können, ihre Brüste, ihr schwarzes Haar, die weichen kurzen Wellen, und er streichelt die Luft, bewegt seine Hände in der Leere des Zimmers und schließt wieder die Augen, als ob neben ihm doch Livia schliefe und er jetzt in seinem Haus, in dem er sich vor dem Stehenbleiben der Uhren stets mehr als anderswo gefürchtet hat, an ein vorhangloses Fenster träte und auf die Bäume in seinem Garten sähe, auf die er nie wie auf

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