Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
mir vorstellen, wie er als kleiner Junge ausgesehen hatte.
    »Das war großartig«, sagte er, hob den Kopf und sah mich an. »Nächstes Mal trinke ich nicht so viel.«
    Was in meinem Gesicht zu lesen war, verwirrte ihn. Er blickte um den Tisch herum nach unten und sah, dass ich mit der Hand in meinem Stiefel herumfummelte. Ich bekam den Griff zu fassen und riss das Messer aus der Scheide. Bevor ich ausholen konnte, warf sich Abendroth nach vorn, stieß mich vom Stuhl, sodass ich auf den Boden fiel, hielt mit seiner Linken meine Messerhand fest und griff mit der Rechten nach seiner Pistole.
    Wenn es mir gelungen wäre, das Messer schneller zu ziehen, wenn ich es geschafft hätte, Abendroths Halsschlagader zu durchtrennen, wenn dieses Wunder geschehen wäre, dann wären Vika und Kolja und ich tot gewesen. Die Soldaten hätten ihre MP40 angelegt und uns ins Jenseits befördert. Abendroths Wachsamkeit - oder, so gesehen, meine Ungeschicklichkeit - rettete uns. Denn als die Soldaten losstürzten, um dem Sturmbannführer zu helfen, der keiner Hilfe bedurfte, ließen sie die beiden anderen Gefangenen außer Acht. Nur für einen Moment, doch der genügte.
    Abendroth zog seine Pistole. Als er den Radau am anderen Ende des Zimmers hörte, blickte er hin. Was er dort sah, beunruhigte ihn mehr als der schwache, ausgemergelte Jude, der unter ihm zappelte. Er richtete die Waffe auf sein Ziel - ob auf Vika oder auf Kolja, konnte ich nicht sehen. Ich stieß einen Schrei aus, griff mit der linken Hand nach dem Pistolenlauf und schlug die Mündung weg, gerade als er abdrückte. Die Pistole prallte zurück, und der Knall machte mich fast taub. Abendroth knurrte und versuchte mir die Waffe zu entwinden, die ich immer noch krampfhaft festhielt. Mit ihm zu kämpfen war sinnlos, ebenso gut hätte ich mit einem Bären kämpfen können, aber ich klammerte mich an den Lauf der Waffe wie ein Ertrinkender an ein schwimmendes Brett. Diese Sekunden waren ein einziger Tumult aus Lärm und roher Gewalt, deutschem Gebrüll und blitzenden Mündungen, dem Getrampel von Stiefelabsätzen auf Linoleum.
    Entnervt von meinem hartnäckigen Griff, versetzte mir Abendroth mit der linken Faust einen heftigen Schlag gegen den Kopf. Als Junge im Kirow hatte ich bei einigen Raufereien und Schlägereien mitgemacht, doch das waren stümperhafte, unblutige Kämpfe, wie sie bei Buben zu erwarten waren, die Schachklubs angehören. Aber noch nie hatte mir jemand ins Gesicht geschlagen. Das Zimmer verschwamm, und ich sah Sternchen, als mir Abendroth die Pistole aus der Hand riss und sie auf meine Augen richtete.
    Ich setzte mich auf und rammte ihm das Messer in die Brust, durch die Brusttasche der Uniformjacke, direkt unterhalb all seiner Orden, stieß die Klinge hinein bis zum silbernen Fingerschutz.
    Abendroth erschauerte und blinzelte, blickte hinunter auf den schwarzen Griff. Wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, hätte er mir noch immer eine Kugel in den Schädel jagen können, doch seine eigene Ermordung zu rächen schien ihm nicht wichtig zu sein. Er sah enttäuscht aus, die Mundwinkel nach unten gezogen, und dann sah er nur noch verwirrt aus, blinzelte ununterbrochen, atmete abgehackt. Er wollte aufstehen, doch seine Beine knickten ein, und er kippte zur Seite, rutschte dabei von meinem Messer herunter, das ich immer noch festhielt, und die Pistole entglitt seinen schlaffen Fingern. Er riss die Augen weit auf - ein übermüdeter Mann, der sich zwingt, wach zu bleiben -, legte die Handflächen auf das Linoleum und versuchte wegzukriechen, die grausige Szene zu verlassen, das Getümmel um ihn herum zu ignorieren. Er kam nicht weit.
    Ich drehte mich um und sah, dass Kolja sich mit einem der Gebirgsjäger auf dem Boden wälzte und beide versuchten, sich der Maschinenpistole des Deutschen zu bemächtigen. Ich wusste inzwischen, dass Kolja der reinste Preisboxer war, aber keiner hatte es dem Soldaten gesagt, der die Oberhand zu haben schien. Ich erinnere mich nicht daran, dass ich aufstand oder zu Hilfe eilte, aber bevor der Soldat seine MP40 auf Koljas Brust richten und sein Magazin leer schießen konnte, war ich dem Mann auf den Rücken gesprungen und stieß mit dem Messer zu, wieder und immer wieder.
    Vika zog mich schließlich von dem Toten herunter. Ihr Tarnanzug triefte vor Blut, und bevor ich wieder klar denken konnte, nahm ich an, dass sie einen Bauchschuss bekommen hatte. Ich glaube nicht, dass ich etwas Vernünftiges von mir gegeben habe, aber sie

Weitere Kostenlose Bücher