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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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gespielt.«
    Ich sagte nichts, betrachtete das Brett, stellte mir mögliche Zugfolgen vor.
    »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, fuhr er fort. »Dir passiert nichts, ob du gewinnst oder verlierst. Eine gute Partie jeden Abend kann meinem Verstand nur förderlich sein.«
    Er beugte sich wieder vor und zog seine Dame. Während ich noch überlegte, kam der junge Soldat mit einer Spanschachtel zurück, die mit Stroh ausgepolstert war. Abendroth fragte ihn etwas, und der junge Soldat nickte und stellte die Schachtel auf den Tisch.
    »Du hast mir Appetit gemacht«, sagte Abendroth zu Kolja. »Wenn ich gewinne, genehmige ich mir vielleicht ein Omelett aus zwölf Eiern.«
    Kolja, der am anderen Ende des Tisches saß, grinste beim Anblick der Eierschachtel. Die Gebirgsjäger standen jetzt hinter ihm und Vika, beide die Hände fest um die Schulterstütze ihrer Maschinenpistole gelegt. Kolja hatte versucht, die Partie aus der Entfernung zu verfolgen, während Vika auf den Tisch starrte. Ihr Gesicht verriet nie sehr viel, aber ich merkte genau, dass sie irritiert war, und erkannte viel zu spät, dass ich eine günstige Gelegenheit verpasst hatte. Als der Soldat die Eier holen ging, waren wir den Deutschen kurze Zeit zahlenmäßig überlegen; sie hatten Waffen, und wir hatten nur Messer, aber es hätte unsere beste Chance sein können.
    Nach acht Zügen begannen der Sturmbannführer und ich abzutauschen. Ich schlug einen Bauern; er schlug einen Springer. Ich schlug einen Läufer; er schlug einen Bauern. Danach waren unsere Heere noch immer ausgeglichen, aber das Spiel war offener geworden, und ich sah mich in der stärkeren Position.
    »Geiger und Schachspieler, was?«
    Bis jetzt hatte ich mich gescheut, ihn anzusehen, doch nun riskierte ich einen Blick, während er unsere Schlachtordnung analysierte. Er saß so dicht vor mir, dass ich die dunklen, geschwollenen Halbmonde unter seinen braunen Augen sah. Seine Kinnlade war markant und rechtwinklig, bildete im Profil ein perfektes L. Er merkte, dass ich ihn beobachtete, und hob den massigen Schädel, um mich seinerseits zu mustern. Ich schlug rasch die Augen nieder.
    »Deine Rasse«, sagte er. »Trotz allem gebt ihr großartige Geiger und Schachspieler ab.«
    Ich zog meine Dame zurück, und während der nächsten zwölf Züge sammelten wir unsere Kräfte, vermieden die direkte Konfrontation. Wir rochierten beide, um den König zu schützen, während wir uns für die nächste Schlacht rüsteten, unsere Heere in der Mitte zusammenzogen und versuchten, die beste Ausgangsposition zu besetzen. Beim einundzwanzigsten Zug wäre ich fast in eine raffinierte Falle gestolpert, die er mir gestellt hatte. Gerade als ich einen Freibauern schlagen wollte, wurde mir klar, was der Deutsche im Schilde führte. Ich brachte meinen Läufer in die Ausgangsstellung zurück und zog die Dame, um ihr eine bessere Angriffsposition zu verschaffen.
    »Schade«, sagte Abendroth. »Das wäre kein schlechtes Manöver gewesen.«
    Ich blickte hinüber zu Kolja und Vika, die mich scharf beobachteten. Unser Plan war nie offen dargelegt worden, doch nun schien alles klar zu sein. Ich bewegte den Fuß im Stiefel und spürte, wie die Messerscheide des toten Fliegers gegen meinen Knöchel drückte. Wie schnell konnte ich die Klinge herausziehen? Es erschien mir unmöglich, das Messer in die Hand zu bekommen und Abendroth die Kehle aufzuschlitzen, bevor mich die Soldaten niederschossen. Auch ohne die Soldaten, die ihn beschützten, wirkte Abendroth viel zu stark, als dass ich ihn hätte töten können. Als ich klein war, hatte ich im Zirkus einen Schwerathleten mit Händen wie denen des Sturmbannführers gesehen - er hatte einen schweren Schraubenschlüssel zu einem Knoten gebogen, und weil es mein Geburtstag war, durfte ich ihn behalten. Jahrelang hütete ich den verknoteten Schraubenschlüssel, zeigte ihn meinen Freunden im Kirow, prahlte damit, wie der Schwerathlet mir das Haar zerzaust und meiner Mutter zugezwinkert hatte. Als ich ihn eines Tages suchte, konnte ich ihn nicht finden; ich verdächtigte Oleg Antokolski, ihn gestohlen zu haben, konnte es aber nie beweisen.
    Die Vorstellung, mit dem Messer auf einen so kräftigen Mann loszugehen, versetzte mich in Panik, und so zwang ich mich, nicht daran zu denken, sondern mich auf das Spiel zu konzentrieren. Einige Züge später sah ich eine Gelegenheit, Springer abzutauschen. Meine Position erschien mir etwas beengt, also forcierte ich den Abtausch. Abendroth

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